07.04.2008 - AG Brühl, Az: 28 C 447/07
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HILFREICH:
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EIGENER LEITSATZ:
- Kein Anspruch auf Widerruf negativer Bewertung
THEMA:
- ebay-Recht
- Ehrverletzende Äußerungen / Persönlichkeitsrecht
RECHTSNORMEN:
- §§ 13, 284, 323 Abs. 1, 347 Nr. 3, 447 BGB, 474 Abs. 2 BGB
VOLLTEXT:
AMTSGERICHT BRÜHL
Im Namen des Volkes
URTEIL
AG Brühl
28 C 447/07
07.04.2008
In dem Rechtsstreit
für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger, 5,35 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszins seit dem 21. Juni 2007 zu zahlen; im übrigen
wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Beklagte ist auf der Ebayauktionsplattform unter der Bezeichnung ...-com
als gewerblicher Anbieter und sogenannter Powerseller von Elektronikware tätig.
Der Kläger erwarb bei ihm am 2. April 2007 eine TV-Out Kabelpeitsche 7 pol zu
SVHS + RGB zum Preis von 5,-- Euro zuzüglich Versandkosten in Höhe von 3,90
Euro. Am 7. April 2007 erhielt der Kläger die Ware, woraufhin er beim Beklagten
rügte, daß der blaue Stecker für den Komponentenausgang nicht kontaktiere.
Mit Email vom 10. April 2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dieser solle
entweder von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen oder aber zur Prüfung einer
Gewährleistung die Ware zurücksenden. Der Kläger sandte die Ware zurück,
wofür er Kosten von 1,45 Euro aufwendete. Mit Email vom 21. April 2007 forderte
er den Beklagten auf, ihm bis zum 26. April 2007 einen Austauschadapter zu
übermitteln. Mit Email vom 23. April 2007 fragte der Beklagte nach der
Bankverbindung
des Klägers und teilte mit, daß eine Überweisung nach Bestätigung der
Auflösung der eBay-Auktion erfolgen werden. Mit Email vom gleichen Tag bestand
der Kläger auf der Ersatzlieferung. Der Beklagte antwortete ebenfalls noch am
23. April 2007: "Kabel-Peitsche geprüft. 100 % funktionstüchtig, daher
Widerruf. Bitte gehen Sie entsprechend der vorherigen Email vor". Wiederum
noch am gleichen Tag verlangte der Kläger erneut eine neue Kabelpeitsche. In
der Folge zahlte der Beklagte den Kaufpreis von 5,-- Euro zurück. Am 25. April
2007 gab der Kläger über den Beklagten folgende Bewertung bei eBay ab: "
Gewährleistung wird ohne Einwilligung wie Widerruf behandelt ?! (Wert < 40
E)". Diese ursprünglich mit einem neutralen Bewertungssymbol versehene
Bewertung ergänzte er am gleichen Abend um den Zusatz: "muß natürlich
negativ heißen". Mit Email vom 26. April 2007 erklärte der Kläger den
Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten auf, die Versandkosten von
3,90 Euro und die Kosten der Rücksendung von 1,45 Euro zu erstatten, und zwar
bis zum 8. Mai 2007. Dieser Bewertung des Klägers fügte der Beklagte am 27.
April 2007 folgende Antwort hinzu: "Kabel 100 % intakt. Er WILL einfach
nicht verstehen. Solche KD brauchen wir nicht". Nahezu zeitgleich gab er
über den Kläger folgende Bewertung ab: "Kabel 100 % ok. Legt Gewährlstg/
FernAbsG aus, wie er’s braucht. Traktiert m.mail". Der Kläger fügte
dieser Bewertung den Zusatz hinzu: "Es wurde von mir kein Widerruf
ausgesprochen! Rücksendung verweigert -> Rücktritt!". In der Folge
verlangte der Kläger vom Beklagten den Widerruf der abgegebenen Bewertungen.
Der Kläger behauptet, die Behauptung des Beklagten, die Kabelpeitsche sei
100%ig in Ordnung, sei falsch.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. wie erkannt;
2. die im Ebay-Bewertungsprofil unter ...-com am 25. Juli 2007 vorgenommene
Bewertung "Kabel 100 % intakt. Er WILL einfach nicht verstehen. Solche KD
brauchen wir nicht" sowie die Bewertung vom 27. April 2007 "Kabel 100
% ok. Legt Gewährlstg/FernAbsG aus, wie er’s braucht. Traktiert m.mail"
zu widerrufen und zu löschen;
3. künftig die im Ebay-Bewertungsprofil unter ...-com am 25. Juli 2007
vorgenommene Bewertung "Kabel 100 % intakt. Er WILL einfach nicht
verstehen. Solche KD brauchen wir nicht" sowie die Bewertung vom 27. April
2007 "Kabel 100 % ok. Legt Gewährlstg/FernAbsG aus, wie er’s braucht.
Traktiert m.mail" zu unterlassen;
4. dem Beklagten für jeden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Ziffer 3) ein
Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 5.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft
anzudrohen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die gelieferte Kabelpeitsche sei mängelfrei gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht Brühl ist örtlich zuständig. Soweit es um den Widerrufs- bzw.
Unterlassungsanspruch geht, besteht die Zuständigkeit nach § 32 ZPO. Denn der
klägerische Anspruch könnte sich u.a. aus unerlaubter Handlung ergeben. Der
Erfolg beispielsweise einer Beleidigung oder Verleumdung wäre aber – wenn sie
denn vorläge – im hiesigen Bezirk eingetreten, da der Kläger hier seinen
Wohnsitz hat. Soweit es um den Zahlungsanspruch geht, hat der Beklagte sich auf
den Hinweis in der mündlichen Verhandlung rügelos eingelassen. Die Klage ist
aber überwiegend unbegründet.
Der Kläger hat lediglich Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der ihm
entstandenen Versendungskosten von 3,90 Euro sowie 1,45 Euro nach §§ 347 Nr.
3, 284 BGB. Der Kaufvertrag hatte infolge des vom Kläger erklärten Rücktritts
sein Ende gefunden. Das Rücktrittsrecht des Klägers bestand nach §§ 347 Nr.
3, 323 Abs. 1 BGB, da der Kläger dem Beklagten erfolglos eine Frist zur
Nacherfüllung gesetzt hatte. Das Recht auf Nacherfüllung seitens des Klägers
war gegeben, da davon ausgegangen werden muß, daß die gelieferte Sache
mangelhaft war. Die Beweislast diesbezüglich liegt im vorliegenden Fall beim
Beklagten. Denn er als Verkäufer hat zu beweisen, daß bis zum Zeitpunkt des
Gefahrübergangs die Kaufsache frei von Mängeln war. Gefahrübergang war
vorliegend die Ablieferung des Pakets beim Kläger. Die Ausnahmevorschrift über
den Versendungskauf, § 447 BGB, findet hier nach § 474 Abs. 2 BGB keine
Anwendung. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelte es sich hier, da der Kläger
Verbraucher im Sinne des § 13 BGB war, der Beklagte Unternehmer. Der Beklagte
hat für seine Behauptung, die Kabelpeitsche sei im Zeitpunkt des
Gefahrübergangs mängelfrei gewesen, keinen geeigneten Beweis angeboten. Zwar
hat er ein Sachverständigengutachten angeboten. Nachdem aber der Kläger in
Abrede gestellt hat, daß der dem Sachverständigen vorzulegende Gegenstand auch
der Kaufgegenstand sei, hätte der Beklagte näher darlegen und unter Beweis
stellen müssen, daß dies sehr wohl der Fall sein würde, was er indes nicht
getan hat. Infolge der Mangelhaftigkeit hatte der Kläger zunächst Anspruch auf
die begehrte Nacherfüllung, nach erfolgloser Fristsetzung
ein Recht zum Rücktritt. Die Versandkosten sind nach § 284 BGB zu erstatten,
da der Kläger sie im Vertrauen auf den Erhalt einer mängelfreien Kaufsache
gemacht hatte und auch machen durfte. Der Verzinsungsanspruch ergibt sich aus
Verzug.
Die weitergehende Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Widerruf der abgegebenen
Erklärungen.
Widerruf könnte lediglich hinsichtlich der Behauptung "Kabel 100 % ok"
verlangt werden, da nur dieser Teil der Erklärung eine Tatsachenbehauptung
beinhaltet. Die übrigen Erklärungen sind lediglich Werturteile, bezüglich
derer generell kein Anspruch auf Widerruf besteht. Die Äußerung "Legt
Gewährlstg/FernAbsG aus, wie er’s braucht" stellt keine
Tatsachenbehauptung dar. Die Frage, wie jemand ein Gesetz auslegt oder
auszulegenhat, kann nicht mit einer einzigen zutreffenden Antwort – d.h. im
einschlägigen Sinn wahrheitsgemäß - beantwortet werden; vielmehr richtet sich
die Antwort nach der Ansicht desjenigen, der insoweit die Entscheidung zu
treffen hat. Die Äußerung "Traktiert m.mail" ist ebenfalls keine
Tatsachenbehauptung, da die Formulierung
"traktieren" bereits ein Werturteil darstellt, wobei der Beklagte sich
möglicherweise schon von zehn Emails traktiert fühlt, wohingegen eine andere
Person dies auch nach zwanzig Emails noch nicht so empfinden würde. Die
Äußerung "Er WILL einfach nicht verstehen" ist ebenfalls ein
Werturteil. Denn es liegt in der Natur der Sache, daß der Beklagte letztlich
nicht mit hinreichender Sicherheit wissen kann, ob der Kläger nicht verstehen
will oder nicht verstehen kann. Die Formulierung "Solche Kunden brauchen
wir nicht" könnte man zwar als Tatsachenbehauptung einordnen, da objektiv
festgestellt werden könnte, ob und welche Kunden der Beklagte benötigt. In der
Weise, wie der Beklagte die Äußerung aber verstanden haben will und wie
der Kläger sie auch verstanden hat, stellt sie lediglich ein Werturteil dar.
Auch aus der vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien in Verbindung mit den
von eBay aufgestellten Kriterien über die Bewertung ergibt sich ein
Widerrufsanspruch hinsichtlich dieser Werturteile nicht. Unabhängig davon, ob
sich grundsätzlich hieraus ein solcher Anspruch ergeben könnte, liegt er hier
schon deshalb nicht vor, weil ein Verstoß gegen die eBay-Kriterien nicht
gegeben ist. Ob eine Bewertung unzutreffend ist, ist im Falle der Abgabe von
Werturteilen letztlich wiederum eine Frage der Bewertung. Die vom Beklagten
abgegebenen Werturteile sind insgesamt gesehen nicht unsachlich und damit
unzulässig. Vielmehr ist die Grenze zur Unsachlichkeit erst dann als
überschritten anzusehen, wenn bewusste Fehlurteile oder Verzerrungen
vorgenommen werden oder abschließende Bewertung als sachlich nicht mehr
vertretbar, d.h. indiskutabel erscheint. Hiervon waren aber die Äußerungen des
Beklagten weit entfernt. Würde man dies anders sehen, würde die
Bewertungsmöglichkeit bei eBay auch gar keinen Sinn mehr machen. Allein schon
die Möglichkeit der "Bewertung" lässt den Schluß zu, daß hier die
persönliche Meinung gefragt ist, nicht die eines "objektiven
Dritten".
Aber auch hinsichtlich der Tatsachenbehauptung "Kabel 100 % ok" hat
der Kläger keinen Widerrufsanspruch. Denn er hat für seine Behauptung, diese
Erklärung des Beklagten sei unwahr, keinen Beweis angeboten. Im Gegensatz zur
Beweislastverteilung bei Streitigkeiten über die mit dem Klageantrag zu 1)
verfolgte
Kostenerstattung, d.h. über
Ansprüche aus dem Kaufvertrag als solchem, liegt die Beweislast im Falle der
Geltendmachung eines Widerrufsanspruchs beim Anspruchsteller, dem Kläger. Er
muß die Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich die Unwahrheit der
angegriffenen Behauptung ergibt.
Auch einen Unterlassungsanspruch hat der Kläger nicht. Zum einen steht diesem
Anspruch entgegen, daß der Beklagte im Falle einer Verurteilung nie mehr die
getätigten Äußerungen wiederholen dürfte, selbst wenn sie im Falle eines
erneuten Vertragsschlusses zwischen den Parteien zutreffen würden. Zum anderen
ist für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs das Bestehen einer
Wiederholungsgefahr Voraussetzung, die aber nicht gegeben ist. Der Beklagte hat
durch sein Verhalten letztlich einmalig auf die vom Kläger abgegebene Bewertung
reagiert; obwohl es sich um zwei Erklärungen handelte, sind diese im engen
zeitlichen Zusammenhang und damit als eine einzige Reaktion zu sehen. Seitdem
ist nahezu ein Jahr vergangen,
ohne daß der Beklagte sich erneut gerührt hat. All dies bietet eine
hinreichend sichere Gewähr dafür, daß in Zukunft keine Äußerungen der
streitgegenständlichen Art mehr zu erwarten sind.
Mangels Unterlassungsanspruchs entfällt auch das Erfordernis der verlangten
Androhung von Ordnungsmitteln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.
Streitwert: bis 5.000,-- Euro