30.10.2008 - Landgericht Hagen, Az.: 6 O 84/08
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EIGENER LEITSATZ:
- Wenn wahre Tatsachenbehauptungen als Grundlage zur Meinungsbildung dienen, sind sie von Art. 5 GG geschützt (Behauptung über Hacker-Erfolg des Chaos Computer Club)
THEMA:
- Ehrverletzende Äußerungen / Persönlichkeitsrecht
- Medienrecht
VOLLTEXT:
Landgericht Hagen
Urteil vom 30.10.2008
6 O 84/08
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu einem Betrag von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft,
oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu
vollziehen an dem Vorstand und im Wiederholungsfall insgesamt zwei Jahre nicht
überschreitend, zu unterlassen, in Bezug auf das „Digitale Wahlstift System
DWS" und/oder den „Hamburger Wahlstift" der Klägerin wörtlich oder
sinngemäß zu behaupten
„D D D hackt Hamburger Wahlstift"
und/oder
„... konnten anhand der verfügbaren Informationen und durch Untersuchung der
Basistechnologie des Wahlstifts, dem Anoto-Digital Stift System, eine Reihe von
schwerwiegenden prinzipiellen Mängeln identifiziert werden..."
und/oder
„Der manipulierte Stift überträgt dann nicht nur digitale Stimmkreuze zum
Auswertungscomputer, sondern agiert als ein sogenanntes trojanisches Pferd zum
Einschleusen von Schadsoftware. Sobald der Stift in die Auslesestation gesteckt
wird, aktiviert sich ein Manipulationsprogramm, welches automatisch auf das
Zielsystem übertragen und dort ohne Zutun des Bedieners ausgeführt wird. Das
Programm kann nun problemlos Manipulationen auf dem Auswertungslaptop vornehmen,
indem es z. B. die Position der digital gespeicherten Stimmkreuze verändert,
das Endergebnis verfälscht, speichert und ausgibt."
und/oder
„ein Nachzählen der Stimmen und damit die Aufklärung von Wahlbetrug ist
weiterhin unmöglich".
Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin zu 1) 1.186,80 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
27.03.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen zu 1/3 und der Beklagte zu
2/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar für den Beklagten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages,
für die Klägerinnen wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages und im übrigen gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 €.
Tatbestand:
Bei der Klägerin zu 1) handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts, die ursprünglich dazu gegründet wurde, sich an der Ausschreibung der G
und I I im Hinblick auf die Entwicklung eines digitalen Wahlstifts zu
beteiligen. Nach ihrer Darstellung bewirbt und vertreibt sie auch weiterhin den
digitalen Wahlstift, z. B. auf Messen.
Die Klägerinnen zu 2) und 3) sind Gesellschafterinnen der Klägerin zu 1) und
entwickelten nach erfolgtem Zuschlag für die Klägerin zu 1) ein digitales
Wahlstift-System, kurz DWS, das der Öffentlichkeit auch als "Hamburger
Wahlstift" bekannt wurde.
Der Beklagte ist ein eingetragener Verein, der sich für die
Informationsfreiheit des Einzelnen einsetzt und sich mit den Chancen, Risiken
und den Auswirkungen von Technologien auf die Gesellschaft sowie auf jeden
Einzelnen beschäftigt und das X um diese Entwicklung fördert. Der Beklagte
engagiert sich für den Schutz der Privatsphäre im technischen Umfeld sowie
allgemein für Computersicherheit. Unter anderem setzt er sich auch gegen den
Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland ein, da er diese als zu unsicher
ansieht.
Das von den Klägerinnen zu 2) und 3) entwickelte DWS besteht aus einem
kugelschreiberähnlichen Stift, der eine Kugelschreibermine, eine Kamera, einen
Prozessor, einen T und eine Ein-/Ausgabeeinheit nebst Batterien enthält. Hierzu
gehört entsprechend spezielle Hard- und Software. Hinzu kommt eine
Dockingstation, in die der Stift gesteckt werden kann und die der Datenübergabe
an einen PC oder Laptop dient. Auf dem PC oder Laptop befindet sich neben einem
bestimmten handelsüblichen Betriebssystems eine speziell entwickelte Software.
Des weiteren gehört zum DWS ein digitales Papier mit der sogenannten
Anoto-Technik. Auf diesem mit verschiedener Musterung versehenen Papier sind wie
bei den bisher bekannten und üblichen Wahlzetteln alle Kandidaten und Parteien
in Listen aufgedruckt. Den Kandidaten und Parteien sind jeweils speziell
gestaltete Muster/Raster auf dem Papier zugewiesen, die für jede Wahl neu
gestaltet werden. Wenn nun mit dem digitalen Stift auf dem Anoto-Papier bei
einem bestimmten Kandidaten oder einer bestimmten Partei durch den Wähler ein
Kreuz gemacht wird, so kann die in dem digitalen Stift enthaltene Kamera die
besondere Rasterung des Papiers erkennen und diese dem entsprechenden Kandidaten
bzw. der entsprechenden Partei zuordnen. Diese von dem Stift erkannten Daten
werden von der Kamera eingelesen und gespeichert. Nach jedem Wahlvorgang wird
der Stift über die Dockingstation ausgelesen und die Daten werden auf den PC
übermittelt und von diesem gespeichert. Nach diesem Speicherungsvorgang werden
die Daten auf dem Stift gelöscht, so dass dieser für den nächsten Wahlvorgang
freigegeben werden kann. Mit einer speziellen Software erfolgt am Ende des
Wahltages die Auswertung der an den PC oder Laptop übermittelten Daten; auf
diese Weise wird das Wahlergebnis ermittelt. Die angekreuzten Wahlzettel werden
zusätzlich von den Wählern in eine konventionelle Wahlurne geworfen.
Die G und I I wollte dieses DWS bei den Bürgerschafts- und
Bezirksversammlungswahlen am 24.02.2008 einsetzen. Es wurden
Informationsveranstaltungen für die Öffentlichkeit organisiert sowie
"Schnupperwahlen", z. B. in Einkaufszentren in verschiedenen Hamburger
Stadtteilen wie beispielsweise in der Zeit vom 08.11.2007 bis 10.11.2007 im
Billstedtcenter.
In einer über die Domain x und den Link "Pressemitteilungen"
abrufbaren Pressemitteilung vom 25.10.2007 unter der Überschrift "D D D
hackt Hamburger Wahlstift" behauptete der Beklagte, einen X-Weg gefunden zu
haben, das von den Klägerinnen zu 2) und 3) entwickelte DWS zu manipulieren,
"zu hacken". Es sollte möglich sein, über einen vorab manipulierten
digitalen Stift über die Dockingstation in die spezielle Software auf dem
genutzten PC bzw. Laptop eine Schadsoftware, einen sogenannten Trojaner,
einzuschleusen, die die Ermittlung der Wahlergebnisse fälschen sollte. Heute
ist die Pressemitteilung über das Pressearchiv weiterhin abrufbar, allerdings
veränderte der Beklagte inzwischen die Überschrift dahingehend, dass es
nunmehr heißt: "Chaos Computer Club hackt Basistechnologie des Hamburger
Wahlstiftes".
Des Weiteren behauptete er in der Pressemitteilung vom 09.11.2007 unter der
Überschrift "D D D zeigt prinzipielle Sicherheitslücken beim Hamburger
Wahlstift", dass das Anoto-Papier dahingehend manipuliert werden könnte,
dass durch den Einsatz normaler Drucker und Kopierer die den einzelnen Parteien
und Kandidaten zugewiesenen Raster auf den Wahlzetteln vertauscht werden
könnten. Auf diese Weise sollte eine Manipulation dahin möglich sein, dass die
veränderten Wahlzettel in die Wahllokale eingeschleust werden könnten und
sodann ein Kreuz, von dem der Wähler glaubt, es bei der Partei "X"
gesetzt zu haben, durch die Kamera des Stiftes und aufgrund der Manipulation als
Stimme für die Partei "Y" erkannt und entsprechend im Wahlergebnis
gewürdigt würde. Auch diese Pressemitteilung ist noch heute über das
Pressearchiv des Beklagten im Internet abrufbar.
Für den Inhalt der Pressemitteilungen wird auf die Anlage K1 der Klageschrift
Bezug genommen.
Des weiteren veröffentlichte der Beklagte ein über das Internet abrufbares
Video, in dem gezeigt wird, wie er die Manipulationen des Anoto-Papiers
durchgeführt haben will. Für den Inhalt des Videos wird auf die als Anlage K2
eingereichte CD Bezug genommen.
Das Video wurde z. B. bei der Anhörung im Verfassungsausschuss der ... am
09.11.2007 abgespielt.
Das DWS wurde bei den I Wahlen am 24.02.2008 nicht eingesetzt.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, bei der Äußerung des Beklagten, das DWS
oder auch nur seine Basistechnologie seien "gehackt" worden, handele
es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung, da der Beklagte nie in C des echten
DWS gewesen sei und dieses somit nicht manipuliert haben könne. Sie behaupten,
die von dem Beklagten behaupteten Angriffe auf das DWS seien technisch nicht
möglich, da –unstreitig - Grundlage für die Funktionsfähigkeit der von dem
Beklagten entwickelten Schadsoftware (Trojaner) sei, dass bei dem anzugreifenden
Betriebssystem die sogenannte Autorun-Funktion eingeschaltet sei; bei
eingeschalteter Autorun-Funktion müsste die Schadsoftware über eine
USB-Schnittstelle des anzugreifenden PCs oder Laptops nur "angedockt"
werden, damit das Programm auf dem anzugreifenden PC oder Laptop ohne weiteres
Zutun der Angreifer durch die Autorun-Funktion automatisch starten könne. Die
Klägerinnen behaupten jedoch, dies sei bei dem von den Klägerinnen zu 2) und
3) entwickelten DWS nicht möglich, da sie ein mit EAL 4 zertifiziertes
Betriebssystem nutzen würden, bei dem standardmäßig die Autorun-Funktion
ausgeschaltet sei, so dass sich die "angedockte" Schadsoftware nicht
von selbst auf den eingesetzten PC oder Laptop und dessen Betriebssystem
übertrage und dort nicht ohne weiteres Zutun des Angreifers gestartet werden
könne.
Die Klägerinnen behaupten weiter, in den Schnupperwahllokalen sei auch nicht
das echte DWS, sondern lediglich eine Testversion, die extra für die
Schnupperwahlen entwickelt worden sei, eingesetzt worden. Dies gelte auch für
die Teststimmzettel. Eine Manipulation dieser Stimmzettel könne schon deshalb
nicht erfolgt sein, weil der Beklagte nicht die Stimmzettel zur Verfügung
gehabt habe, die tatsächlich bei einer Wahl eingesetzt würden, da die
entsprechenden Wahlzettel erst kurzfristig von der Wahl und unter erheblichen
Sicherheitsvorkehrungen erstellt würden.
Die Klägerinnen behaupten weiterhin, es könnten auch bei Anwendung des DWS die
Wahlzettel manuell angekreuzt werden.
Schließlich behaupten sie, der Beklagte habe darüber hinaus auch nicht den
tatsächlich von ihnen genutzten Stifttyp zugrunde gelegt. Es handele sich dabei
nicht um einen handelsüblichen Stift der Firma M, IO 2 Commercial Pen, sondern
um einen Pen IO 2 BT (modifizierte Dot Vote Firmware).
Die Klägerinnen beantragen, den Beklagten zu verurteilen,
I.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu einem Betrag von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die
Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an dem Vorstand und im Wiederholungsfall
insgesamt zwei Jahre nicht überschreitend, zu unterlassen, in Bezug auf das
"Digitale Wahlstift System DWS" und/oder den "Hamburger
Wahlstift" der Klägerin wörtlich oder sinngemäß zu behaupten
1.
a)
"D D D hackt Hamburger Wahlstift"
und/oder
b)
"Der D D D (DDD) weist nun mit der Demonstration eines Wahlstift-Trojaners
auf die erheblichen Manipulationsrisiken dieses Verfahrens hin"
und/oder
c)
"Der Hamburger Wahlstift reiht sich so nahtlos an die umstrittene
NEDAP-Wahlcomputer, die gerade in den Niederlanden wegen zahlreicher
Sicherheitsprobleme und mangelnder Nachprüfbarkeit des Zustandekommens des
Ergebnisses abgeschafft wurden"
und/oder
d)
"... konnten anhand der verfügbaren Informationen und durch Untersuchung
der Basistechnologie des Wahlstifts, dem Anoto-Digital Stift System eine Reihe
von schwerwiegenden prinzipiellen Mängeln identifiziert werden... Der CCC hat
zur beispielhaften Illustration der vielfältigen Angriffsmöglichkeiten gegen
den Wahlstift für die I C einen trojanischen Wahlstift entwickelt, der
äußerlich nicht als solcher erkennbar ist. Solch ein Stift kann sowohl von
Wählern als auch von den an der Wahlvorbereitung und –durchführung
beteiligten Personen unbemerkt ins Wahllokal mitgebracht und statt dem echten
Wahlstift in die Auslesestation gesteckt werden. Der manipulierte Stift
überträgt dann nicht nur digitale Stimmkreuze zum Auswertungscomputer, sondern
agiert als ein sog. Trojanisches Pferd zum Einschleusen von Schadsoftware.
Sobald der Stift in die Auslesestation gesteckt wird, aktiviert sich ein
Manipulationsprogramm, welches automatisch auf das Zielsystem übertragen und
dort ohne Zutun des Bedieners ausgeführt wird. Das Programm kann nun problemlos
Manipulationen auf dem Auswertungslaptop vornehmen, indem es z. B. die Position
der digital gespeicherten Stimmkreuze verändert, das Endergebnis verfälscht,
speichert und ausgibt."
-wie in der Pressemitteilung vom 25.10.2007 geschehen-
und/oder
2.
a)
"D D D zeigt prinzipielle Sicherheitslücken beim Hamburger Wahlstift"
und/oder
b)
"Der D D D hat bei der Anhörung des Verfassungsausschusses der I C einen
grundlegenden Angriff gegen das Digitale Wahlstift System (DWS) vorgeführt. Die
Demonstration zeigt, dass das für das DWS verwendete "Digitale
Papier" manipulierbar und fälschbar ist."
und/oder
c)
"Ein Nachzählen der Stimmen und damit die Aufklärung von Wahlbetrug ist
weiterhin unmöglich."
-wie insbesondere in der Pressemitteilung vom 09.11.2007 geschehen-
und/oder
3.
ein Video zu publizieren, in dem ein als "Hamburger Wahlstift"
bezeichneter Stift mit dem Aufdruck "M" in schwarz und silber gezeigt
und behauptet wird, das Wahlpapier könne durch Vergrößern mittels eines
Scanners und anschließendes "Versetzen" des Bereiches eines
Wahlkreuzes manipuliert werden, ferner zu behaupten, dass das so manipulierte
Papier durch einen normalen Drucker mittlerer Güte vervielfältigt werden
könne, anschließend in den Wahlvorgang eingeschleust werden und für den
Wahlstift lesbar sei, ferner zu behaupten, die Manipulation sei nicht erkennbar
für den Wähler und den Wahlvorstand, dem Wähler erscheine die Situation so,
dass er das Kreuz an die von ihm gewählte T2 mache, der Computer schlage dann
allerdings die Stimme einer anderen Partei zu, deren Rasterbereich bei der
Manipulation übertragen worden sei.
-wie in dem in der Pressemitteilung vom 09.11.2007 in Bezug genommenen, auf der
Internetseite xxx abrufbaren "Video Wahlstift-Manipulation" geschehen-
II.
an die Klägerin 1.780,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2007 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, er habe zwar nicht das Original-DWS zur Verfügung gehabt, habe
aber die von den Klägerinnen genutzte Basistechnologie des DWS seinen Angriffen
zu Grunde gelegt, wie z. B. das Betriebssystem Windows XP SP 2. Das von den
Klägerinnen genutzte Betriebssystem sei nicht EAL 4 zertifiziert, da dieses bei
Laptops, wie sie von den Klägerinnen bei den Wahlen hätten eingesetzt werden
sollen, grundsätzlich nicht möglich sei. Er habe auch von der angeblichen EAL
4 Zertifizierung erst nach Veröffentlichung sämtlicher Pressemitteilungen und
des Videos gehört. Bei den Schnupperwahlen habe er davon ausgehen müssen, dass
es sich um das echte DWS gehandelt habe, insbesondere auch im Hinblick auf das
Anoto-Papier. Ein Mitglied des Beklagten habe von den Schnupperwahlen
Originalpapier mitgenommen, welches bei den Angriffen zu Grunde gelegt worden
sei. Er habe nur die ihm zugänglichen Informationen im Hinblick auf die von den
Klägerinnen verwandte Technologie zu Grunde legen können, da er trotz
Aufforderung an die Klägerinnen keine Originalversion des DWS von ihnen
erhalten habe. Es sei auch nur einer von vielen möglichen Angriffen ausgeführt
worden, es gebe noch verschiedene andere Angriffsmöglichkeiten. Es sei ihm bei
der Vorführung seiner Angriffe allein darum gegangen, auf die generellen
Sicherheitslücken eines solchen Systems hinzuweisen. In seinen Pressemitteilung
habe er wahrheitsgemäß dargestellt, dass ihm nicht das Original-DWS zur
Verfügung gestanden habe.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
1. Der Klageantrag zu 1a):
Die Klägerinnen haben einen Anspruch gegen den Beklagten, es zu unterlassen,
wörtlich oder sinngemäß zu behaupten "D D D hackt Hamburger
Wahlstift" gem. §§ 1004 I, 823 I, 824 BGB analog.
Durch die von dem Beklagten in der Vergangenheit getroffene Äußerung sind
unternehmensbezogene Interessen der Klägerinnen betroffen, die sowohl durch ihr
Persönlichkeitsrecht (§ 824 BGB) als auch durch das Recht am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 BGB) geschützt sind. Die Behauptung ist
geeignet, das unternehmerische wie das betriebliche Ansehen der Klägerinnen in
der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und ihr damit auch wirtschaftlichen
Schaden zuzufügen. Die Klägerin zu 1) möchte die Entwicklung der Klägerinnen
zu 2) und 3) vertreiben. Dies verspricht jedoch nur erfolgreich zu werden, wenn
der Wahlstift eines Tages tatsächlich eingesetzt wird. Dies ist allerdings dann
problematisch, wenn die allgemeine Meinung über den Wahlstift beeinträchtigt
wird.
Die Klägerinnen sind insoweit auch aktivlegitimiert. Selbst wenn die Klägerin
zu 1) ursprünglich nur den Zweck verfolgt haben sollte, an der Ausschreibung
für die Entwicklung des Wahlstiftes teilzunehmen, so besteht ihr Gewerbebetrieb
auch nach Erfüllung dieses Zwecks fort, da sich ihr Zweck zwischenzeitlich
dahingehend erweitert hat, den entwickelten Wahlstift weiter zu bewerben und zu
vertreiben, z.B. auf Messen. Dieser Vortrag ist von dem Beklagten letztlich
nicht mehr bestritten worden, nachdem die Klägerinnen ihren zunächst
pauschalen Sachvortrag näher substanziiert haben. Die Klägerinnen zu 2) und 3)
als Entwicklerinnen des Wahlstiftes haben ebenfalls weiterhin ein
wirtschaftliches Interesse daran, dass der Wahlstift tatsächlich zum Einsatz
kommt.
Von Seiten der Klägerinnen besteht hier auch keine Duldungspflicht hinsichtlich
dieser Behauptung gem. § 1004 II BGB analog. Denn es handelt sich um eine
unwahre Tatsachenbehauptung, die nicht von der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG
geschützt ist.
Grundsätzlich sind nur Meinungsäußerungen und keine Tatsachenbehauptungen von
Art. 5 GG geschützt. Anders ist dies allerdings, wenn Tatsachenbehauptungen
gerade als Grundlage zur Meinungsbildung dienen. In der Regel sind in diesem
Zusammenhang allerdings nur wahre Tatsachenbehauptungen geschützt, da unwahre
Tatsachenbehauptungen in der Regel nicht in schützenswerter Weise zur
allgemeinen Meinungsbildung beitragen können.
Zwar fallen auch unwahre Tatsachenbehauptungen ausnahmsweise dann unter die
Meinungsfreiheit, wenn die Unwahrheit dem Äußernden zum Zeitpunkt der
Äußerung nicht bekannt ist und nicht unzweifelhaft zu diesem Zeitpunkt
feststand (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 27.02.2003, 1 BvR
#####/####, NJW 2003, 1855 f.) und diese Tatsachen als Grundlage der
Meinungsbildung dienen. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben.
Denn auch wenn die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht derart zu
bemessen sind, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet, wird
demjenigen, der sich nachteilig über einen Dritten äußert, eine erweiterte
Darlegungslast auferlegt, die ihn anhält, Belegtatsachen für seine Behauptung
anzugeben (vgl. BGH, Urteil v. 09.07.1974, VI ZR 112/73, NJW 1974, 1710 f.). Nur
wenn dann der von der Tatsachenbehauptung nachteilig Betroffene den
Belegtatsachen seinerseits nichts entgegen zu setzen hat, kann die Wahrheit der
Äußerung unterstellt werden. Vorliegend hat zwar der Beklagte vorgetragen,
sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Informationen sorgfältig ausgeschöpft
zu haben, um die von den Klägerinnen genutzte Basistechnologie in Erfahrung zu
bringen. Allerdings war ihm zum Zeitpunkt der Aufstellung der Behauptung bereits
bewusst, dass er nicht das Original-DWS zur Verfügung hatte und eben auch nicht
dieses Original-DWS "gehackt" hatte; trotzdem hat er dies in der
Überschrift suggeriert. Zwar müssen wegen des hohen Rechtsguts der
Pressefreiheit und dem erheblichen Interesse der Allgemeinheit an der
Aufklärung über evtl. Sicherheitsmängel in einem Bereich, der die Grundfeste
der Demokratie betrifft, auch schlagwortartige Begriffe, insbesondere in
Überschriften, in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit mit einbezogen werden.
Denn unter Umständen ist es nur auf diese Art möglich, öffentlichkeitswirksam
auf Missstände hinzuweisen. Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn die
Überschrift für sich genommen einen substanzarmen Ausdruck von Protest
enthält, der offensichtlich nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang zu
würdigen ist. In einem solchen Fall ist auch auf den Kontext und die der
Überschrift folgenden Erklärungen abzustellen. Vorliegend handelt es sich bei
der Überschrift jedoch schon nicht um einen substanzarmen Ausdruck. Außerdem
wird die Überschrift nicht durch die nachfolgenden Erklärungen relativiert, da
es sich auch bei diesen Erklärungen teilweise um unwahre Tatsachenbehauptungen
handelt. Der Beklagte legt in der Pressemitteilung zwar dar, dass ihm nicht das
Original-DWS zur Verfügung gestanden habe. Allerdings behauptet er, die dem DWS
zugrunde liegende Basistechnologie verwandt und diese erfolgreich angegriffen zu
haben. Dies ist nicht zutreffend, da der von dem Beklagten durchgeführte
Angriff voraussetzt, dass bei dem verwendeten Betriebssystem die
Autorun-Funktion eingeschaltet ist. Bei dem von den Klägerinnen verwandten EAL
4-zertifzierten Betriebssystem ist jedoch diese Autorun-Funktion abgeschaltet,
so dass der Beklagte seinen Angriff nicht auf Grundlage der von den Klägerinnen
verwandten Basistechnologie ausgeführt hat. Der von dem Beklagten vorgeführte
Angriff konnte bei diesem System nicht erfolgreich sein.
Dem Beklagten war auch die EAL 4 Zertifizierung bekannt bzw. zumindest
sorgfaltswidrig unbekannt. Unbestritten gab es schon vor Veröffentlichung der
Pressemitteilung bei X ein schwarzes Brett des Beklagten, auf dem er unter
"Dokumentation" im Hinblick auf den digitalen Wahlstift auf die
"Richtlinien für den Einsatz des digitalen Wahlstiftssystem bei Wahlen zur
I C ...", hinwies. In den Richtlinien wird als Kriterium auch die Nutzung
eines Betriebssystems, welches in der zertifizierten Version von Microsoft
Windows verwandt wird, aufgestellt . Auch der Beklagte trägt vor, dass das
Betriebssystem Windows XP in der Version SP 2 standardmäßig mit EAL 4
zertifiziert sei. Die von den Klägerinnen bestrittene Behauptung des Beklagten,
eine EAL 4-Zertifizierung sei bei Laptops grundsätzlich nicht möglich, ist
unsubstanziiert, ein Beweisantritt von Seiten des Beklagten ist nicht erfolgt.
Die erforderliche Wiederholungsgefahr ist ebenfalls gegeben. Diese wird durch
die Äußerungen in der Vergangenheit indiziert. Der Beklagte hat in der
mündlichen Verhandlung vom 02.10.2008 durch seine Prozessbevollmächtigte
erklärt, auch in Zukunft die angegriffenen Behauptungen aufstellen zu wollen,
da er weiterhin davon ausgehe, das DWS "gehackt" zu haben. Auch wenn
der Beklagte zwischenzeitlich die angegriffene Überschrift dahingehend
geändert hat, dass es nunmehr heißt: "CCC hackt Basistechnologie des
Hamburger Wahlstiftes", hat er sich nicht ausreichend von seiner Aussage
distanziert, um eine Wiederholungsgefahr auszuschließen.
2. Klageantrag zu 1b):
Die Klägerinnen haben keinen Anspruch gegen den Beklagten, es in Zukunft zu
unterlassen, die Behauptung aufzustellen, der D D D weise nun mit der
Demonstration eines Wahlstifttrojaners auf die erheblichen Manipulationsrisiken
dieses Verfahrens hin, insbesondere auch nicht gem. §§ 1004 I, 823 I, 824 BGB
analog.
Bei der Äußerung handelt es sich um eine von Art. 5 GG geschützte
Tatsachenbehauptung, die als Grundlage zur Meinungsbildung dient und die von den
Klägerinnen gemäß § 1004 Abs. 2 BGB analog zu dulden ist.
Die angegriffene Aussage enthält keine unwahren Tatsachenbehauptungen und muss
für sich genommen nicht so verstanden werden, dass erfolgreich die konkrete
Basistechnologie des DWS oder das DWS selbst mit einem Trojaner angegriffen
worden ist. Die in dem Zitat implizit enthaltene Aussage, dass erhebliche
Manipulationsrisiken bestünden, stellt eine Wertung dar, die den vollen Schutz
des Art. 5 GG genießt.
3. Klageantrag zu 1c):
Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Unterlassen der Aussagen, der
Hamburger Wahlstift reihe sich nahtlos an die umstrittenen NEDAP Wahlcomputer,
die gerade in den Niederlanden wegen zahlreicher Sicherheitsprobleme und
mangelnder Nachprüfbarkeit des Zustandekommens des Ergebnisses abgeschafft
wurden, insbesondere auch nicht gem. §§ 1004 I, 823 I, 824 BGB analog. Es
handelt sich ebenfalls um eine Meinungsäußerung, die von Art. 5 GG geschützt
und von den Klägerinnen gem. § 1004 II BGB analog zu dulden ist.
4. Klageantrag zu 1d):
Die Klägerinnen haben im tenorierten Umfang einen Anspruch auf Unterlassen der
angegriffenen Äußerungen gem. §§ 1004 I, 823 I, 824 BGB analog. Zur
Begründung wird auf die Begründung zum Klageantrag zu 1a) verwiesen. Die
Behauptung ist unwahr, weil tatsächlich nicht die Basistechnologie des DWS
benutzt worden ist, da die zu Grunde gelegte Technologie zumindest in einem
erheblichen Punkt, nämlich der ausgeschalteten Autorun-Funktion, von der
Basistechnologie des DWS abwich.
Über den tenorierten Umfang hinaus besteht allerdings kein
Unterlassungsanspruch. Die Klägerinnen sind zur Duldung der weiteren in dem
Antrag enthaltenen und durch Art. 5 GG geschützten Tatsachenbehauptungen gem.
§ 1004 II BGB analog verpflichtet, da es sich um wahre Tatsachen handelt, dass
der CCC einen trojanischen Wahlstift entwickelt hat, der äußerlich nicht als
solcher erkennbar ist, und dass ein solcher Stift sowohl von Wählern als auch
von den an der Wahlvorbereitung und Durchführung beteiligten Personen unbemerkt
in ein Wahllokal mitgebracht und statt dem echten Wahlstift in die
Auslesestation gesteckt werden kann.
5. Klageantrag zu 2a):
Ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich dieser von dem Beklagten in der
Überschrift verwendeten Aussage besteht nicht, weil die Klägerinnen die von
Art. 5 GG geschützte Tatsachenbehauptung gemäß § 1004 Abs. 2 BGB analog zu
dulden haben. Denn die aus dem Kontext herausgenommene Tatsachenbehauptung, dass
der CCC prinzipielle Sicherheitslücken beim Hamburger Wahlstift aufzeige,
stellt keine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Es ist hier nicht ersichtlich
darauf abgestellt, dass es sich bei der prinzipiellen Sicherheitslücke um die
Möglichkeit des Einschleusens eines Trojaners handeln soll. Es könnte sich
ebenso um andere Sicherheitslücken handeln, die gezeigt worden sein könnten.
So ist es nicht als wahrheitswidrig anzusehen, dass solche prinzipiellen
Sicherheitslücken bestehen. Es handelt sich bei der hier angegriffenen
Behauptung um eine Überschrift, die für sich genommen als substanzarmer
Ausdruck ausfüllungsbedürftig durch den ihr folgenden Text ist. In den
Erläuterungen geht es vorliegend um die Manipulation des Anoto-Papiers, welches
für die Wahlzettel genutzt werden sollte. Für die Behauptung wiederum, das
Anoto-Papier manipuliert zu haben, hat der Beklagten ausreichend Belegtatsachen
vorgetragen. Der Beklagte hatte ein Originalpapier "Schnupperwahlen"
mitgenommen und dieses seinen Manipulationsversuchen zu Grunde gelegt. Er hat
schlüssig und technisch nachvollziehbar vorgetragen, in welcher Form eine
Manipulation vorgenommen worden ist. Dass eine Manipulation in dieser Art und
Weise, also z. B. durch einfaches Kopieren, Zusammenschneiden und Austauschen
der verschiedenen Rasterungen, nicht möglich sein soll, haben die Klägerinnen
nicht substanziiert vorgetragen. Sie haben lediglich behauptet, ein Angriff sei
tatsächlich nicht ausgeübt worden, da es sich bei dem Papier nicht um das
Originalpapier handle, sondern um ein extra für die Schnupperwahlen
entwickeltes Papier. Sie haben jedoch nicht dargelegt, dass es sich in
technischer Hinsicht grundsätzlich von dem bei Wahlen einzusetzenden Papier
unterscheidet. Es kann hier nicht darauf ankommen, dass der Beklagte ein Papier
verwandt hat, dessen Muster nicht den Mustern entsprachen, die bei einer Wahl
tatsächlich verwandt würden. Auch der Beklagte ging bei seiner Manipulation
davon aus, dass für jede einzelne Wahl andere Muster erstellt und diese erst
kurzfristig vor der Wahl veröffentlicht würden. Dass es bei eventuellen
Manipulationsabsichten ggf. auch logistische Probleme z. B. bei der Beschaffung
des Papiers oder aber der anschließenden Positionierung der gefälschten bzw.
manipulierten Wahlzettel in den Wahllokalen geben könne, führt nicht zu einer
Unwahrheit der Aussage, dass das Anoto-Papier manipuliert werden könnte. Der
von dem Beklagten angewandten Manipulationstechnik selbst haben die Klägerinnen
nichts entgegengesetzt.
6. Klageantrag zu 2b):
Auch im Hinblick auf den Klageantrag zu 2b) besteht ein Unterlassungsanspruch
nicht. Da diese Tatsachenbehauptung, die von wertenden Begriffen durchsetzt ist,
der allgemeinen Meinungsbildung dienen kann, ist sie von Art. 5 GG geschützt
und gem. § 1004 II BGB analog von den Klägerinnen zu dulden. Bei der Anhörung
des Verfassungsausschusses wurde ein Video vorgeführt, in dem der Angriff im
Hinblick auf das Anoto-Wahlpapier dargestellt wurde. Es wird nicht behauptet,
dass es eine Livevorführung gegeben habe. Die Aussage, dass das digitale Papier
manipulierbar und fälschbar sei, ist keine unwahre Tatsachenbehauptung. Zur
Begründung wird auf die Begründung zu Ziff. 5 Bezug genommen.
7. Klageantrag zu 2c):
Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf Unterlassung der Behauptung, ein
Nachzählen der Stimmen und damit die Aufklärung von Wahlbetrug sei weiterhin
unmöglich. Denn es handelt sich hierbei um eine unwahre Tatsachenbehauptung,
die die Klägerinnen nicht gem. § 1004 II BGB analog dulden müssen. Da bei dem
DWS trotz Übertragung auf einen Computer weiterhin mit einem ohne weiteres
lesbaren Stift Kreuze auf einem Wahlzettel gemacht und diese Wahlzettel
gesammelt werden, ist ein Nachzählen der abgegebenen Wahlstimmen anhand der
Wahlzettel möglich; ein solches Ergebnis könnte mit dem Ergebnis der
Computerauswertung verglichen werden. Dass dies gegebenenfalls nicht in dieser
Form oder nur in einem beschränkten Umfang durchgeführt werden würde, wie der
Beklagte behauptet, ändert nichts an der tatsächlich gegebenen Möglichkeit
und ist für den Wahrheitsgehalt der angegriffenen Äußerung unerheblich.
8. Klageantrag zu 3):
Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Unterlassen der Videopublikation, da
das Video keine wahrheitswidrigen Behauptungen enthält. Insoweit wird auf die
Begründung zu Ziffer 5. im Hinblick auf die Manipulation des Anoto-Papiers
Bezug genommen.
9. Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren
Die Klägerin zu 1) hat einen Anspruch aus Schadensersatzgesichtspunkten auf
Erstattung von anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von
1.186,80 € Dies entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens. Der
Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, S. 2, 291 BGB. Ein früherer
Verzugseintritt ist nicht dargelegt.
Gegenüber den Klägerinnen zu 2) und 3) war die Klage insoweit abzuweisen.
10.
Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zu
Grunde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.