LG Bonn
Urteil vom 08.09.2009
11 O 56/09
T a t b e s t a
n d
Der Verfügungskläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen
satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen
Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf
gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten
werden. Die Verfügungsbeklagte ist Anbieterin von
Telekommunikationsleistungen und Telekommunikationsendgeräten.
Absatz 1
Am 17.06.2009 versandte die Verfügungsbeklagte an den Verfügungskläger,
der Geschäftskunde der Verfügungsbeklagten ist, die sich aus
der Anlage A2 zur Antragsschrift und diesem Urteil ersichtliche
Werbe-E-Mail. Da diese E-Mail nicht den in § 7 Absatz 3 Ziffer
4 UWG beschriebenen Hinweis enthielt, dass der Kunde der
Verwendung seiner elektronischen Postadresse jederzeit
widersprechen könne, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten
nach den Basistarifen entstehen, beanstandete der Verfügungskläger
dieses Verhalten und forderte die Verfügungsbeklagte unter dem
22.06.2009 vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf. Absatz 2
Der Verfügungskläger behauptet, die aus der Anlage zum
Protokoll der mündlichen Verhandlung ersichtlichen Unternehmen
seien Vereins-Mitglieder. Diese würden Waren oder gewerbliche
Leistungen gleicher oder verwandter Art wie die der Verfügungsbeklagten,
insbesondere Telekommunikationsendgeräte, vertreiben. Absatz 3
Der Verfügungskläger beantragt, Absatz 4
wie erkannt. Absatz 5
Die Verfügungsbeklagte beantragt, Absatz 6
den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung
kostenpflichtig zurückzuweisen. Absatz 7
Die Verfügungsbeklagte rügt die Zuständigkeit der Kammer mit
der Begründung, dass sich die Verfügungsklägerin in der
Antragsschrift auf das Unterlassungsklagegesetz beziehe. Sie trägt
- insoweit zwischen den Parteien unstreitig - vor, dass die
streitgegenständliche E-Mail auf einem Arbeitsfehler beruhe,
der der zuständigen Mitarbeiterin unterlaufen sei; bei der Übernahme
der Geschäftskundendaten aus der Datenbank sei das für die
nicht zu kontaktierenden Kunden vergebene sog. "YA-Zeichen"
nicht als Werbekennzeichen des Verfügungsklägers erkannt und
die E-Mail an diesen versandt worden. Die Verfügungsbeklagte
vertritt die Rechtsansicht, dass dieses Versehen keinen
wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründe. Absatz 8
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie
die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen. Absatz 9
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom
06.07.2009 war stattzugeben, da der Verfügungskläger die tatsächlichen
Voraussetzungen eines entsprechenden Verfügungsanspruchs
dargelegt und glaubhaft gemacht hat (§§ 940, 920 Absatz 2, 936
ZPO). Absatz 10
Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen
Landgerichts Bonn ergibt sich aus den §§ 13 Absatz 1, 14
Absatz 1 Satz 1 UWG. Eine örtliche Zuständigkeit des
Landgerichts Köln über § 6 Absatz 2 UKlaG ist nicht zu begründen,
da der Verfügungskläger in der mündlichen Verhandlung
klargestellt hat, sein Begehren ausschließlich - wie bereits
entsprechend den zitierten Anspruchsgrundlagen in der
Antragsschrift - auf einen Verstoß gegen das UWG zu stützen.
Absatz 11
Die Klagebefugnis des Verfügungsklägers folgt aus § 8 Absatz
3 Ziffer 2 UWG. Danach stehen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung
gewerblicher Interessen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche
unter anderem dann zu, soweit diesen eine erhebliche Zahl von
Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher
oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Diese
Voraussetzungen hat der Verfügungskläger durch Vorlage einer
Mitgliederliste in der mündlichen Verhandlung (Anlage zum
Schriftsatz vom 06.08.2009 beziehungsweise Sitzungsprotokoll vom
11.08.2009) sowie durch eine eidesstattliche Versicherung der
Richtigkeit und Aktualität durch seinen Prozessbevollmächtigten
und durch die Vorlage eines Ausdruckes der von den betreffenden
Mitgliedsunternehmen in das Internet eingestellten Angebote
(Anlagen A 7 bis A 15 zum Schriftsatz vom 06.08.2009) glaubhaft
gemacht. Absatz 12
Ausweislich der zitierten Mitgliederliste und der
Angebotsausdrucke vertreiben folgende Unternehmen
Telekommunikationsendgeräte, technische Geräte für die
Internettelefonie, Telefonsoftware sowie Zubehör von
Mobilfunkgeräten und damit dem Branchenbereich der
beanstandeten konkreten Wettbewerbshandlung zuzurechnende Waren
(vgl. BGH GRUR 2007, 809, 810 Rd. 14 -
"Krankenhauswerbung"; BGH GRUR 2007, 610, 611 Rd. 17 -
"Sammelmittgliedschaft"; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
UWG, 27. Aufl. 2009, § 8 Rd. 3.38 jeweils m.w.N.): Absatz 13
die I GmbH, ein bundesweit tätiger Anbieter von Elektro- bzw.
Elektronikartikeln,
die O GmbH, ein bundesweit tätiger Distributor für
IT-Infrastruktur-Lösungen,
die E GmbH, ein bundesweit Telefonanlagen und - software
vertreibendes Unternehmen,
die J GmbH, ein sich derzeit in Liquidation befindender Anbieter
von Büroartikeln,
die L AG, ein bundesweit tätiges Lebensmittel-
Einzelhandelsunternehmen,
die Firma U e.K., ein bundesweit tätiges
Drogeriemarktunternehmen,
die W GmbH, ein bundesweit tätiger Anbieter von
Telekommunikations- beziehungsweise Mediendiensten,
die C GmbH, ein bundesweit tätiger "Einkaufsclub",
die P GmbH & Co. KG, ein bundesweit tätiges
Versandhandelsunternehmen,
die R GmbH, ein bundesweit tätiges Versandhandelsunternehmen,
die F GmbH, ein bundesweit tätiges Versandhandelsunternehmen
die V GmbH, ein bundesweit tätiges Handelshaus,
die T GmbH als bundesweit tätiger Accessprovider
Absatz 14
sowie Absatz 15
die X GmbH, ein sich derzeit in Liquidation befindendes
Versandhandelsunternehmen.
Absatz 16
Bei der hier vorzunehmenden Beurteilung der Branchenzugehörigkeit
ist nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 8 Absatz 3
Ziffer 2 UWG dahingehend, ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen
des klagenden Vereins auszuschließen (vgl. - jeweils zu dem
Tatbestandsmerkmal der erheblichen Mitgliederzahl: BGH GRUR
2009, 692, 693 Rd. 12 "Sammelmitgliedschaft VI"; BGH
GRUR 2007, 610, 611 Rd. 18), eine weite Auslegung geboten. Es
reicht aus, dass die beanstandete Werbung ein Produkt betrifft
das die Verbandsmitglieder und der Verletzer gleichsam
vertreiben oder in Zukunft vertreiben werden, auch wenn sich das
Gesamtsortiment der Beteiligten nicht in dem konkreten Produkt -
hier das in der zitierten E-Mail der Verfügungsbeklagten
beworbene Endgerät "K" - erschöpft (vgl. BGH GRUR
2007, 809, 810 Rd. 14; BGH GRUR 2007, 610, 611 Rd. 17; Köhler,
aaO., § 8 Rd. 3.35 und 3.38 m.w.N.). Entscheidend ist, dass es
sich bei Vertrieb derartiger Produkte nicht um einen Geschäftsgegenstand
von völlig untergeordneter Bedeutung handelt (vgl. Köhler, aaO.,
§ 8 Rd. 3.37 m.w.N.), was in Anbetracht des eingangs
aufgezeigten Geschäftsgegenstandes der Mitglieder der Verfügungsklägerin
nicht bejaht werden kann. Vielmehr begründet hier die sich in
nicht unerheblichem Umfang auf den bundesweiten Vertrieb von
Telekommunikationsendgeräten beziehende Geschäftstätigkeit
der oben aufgelisteten Mitglieder des Verfügungsklägers
einerseits sowie der Verfügungsbeklagten andererseits das
erforderliche Wettbewerbsverhältnis. In Anbetracht des engen
zeitlichen Zusammenhanges zwischen der Verletzungshandlung vom
17.06.2009, der Mitgliederliste mit dem Stand 03.08.2009 sowie
der Ausdrucksdaten der Angebote A7 bis A 15 über den Zeitraum
25.02.2008 bis 04.08.2009 ist die Kammer ferner davon überzeugt,
dass dieses Wettbewerbsverhältnis sowohl während der
beanstandeten Handlung als auch bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung fortbestanden hat (vgl. dazu BGH GRUR 2007, 809, 810
Rd. 12) Absatz 17
Anschließend an die vorstehenden Erwägungen besteht dieses
Wettbewerbsverhältnis auch gegenüber einer erheblichen Zahl
von Mitgliedern der Verfügungsklägerin. Die weiteren
Voraussetzungen von § 8 Absatz 3 Ziffer 2 UWG, wonach der Verfügungskläger
insbesondere nach seiner personellen, sachlichen und
finanziellen Ausstattung imstande sein muss, seine satzungsmäßigen
Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich
wahrzunehmen, liegen in Anbetracht des in der Antragsschrift
vorgetragenen Gesamtumfanges der Vereinstätigkeit des Verfügungsklägers
sowie der in der Mitgliederliste aufgeführten Unternehmen
ebenfalls vor. Konkrete Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit
dieses Vorbringens sprechen könnten, hat die Verfügungsbeklagte
nicht dargetan, sondern die Voraussetzungen des § 8 Absatz 3
Ziffer 2 UWG entgegen den §§ 138 Absatz 1 und Absatz 2, 296
Absatz 2, 282 ZPO erstmals in der mündlichen Verhandlung
pauschal bestritten (vgl. zur Frage des möglichen Ausschlusses
dieses Vorbringens: Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, §
922 Rd. 15; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 922
Rd. 2 m.w.N.). Absatz 18
Gleichsam berührt die beanstandete Verhaltensweise die
Interessen der eingangs zitierten Mitglieder des Verfügungsklägers.
Absatz 19
Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus den §§ 3, 7 Absatz 1
Satz 1 und Absatz 2 Ziffer 3, 3. alt, 8 Absatz 1 UWG. Absatz 20
Die ohne eine vorherige ausdrückliche Einwilligung und ohne den
erforderlichen Hinweis nach § 7 Absatz 3 Ziffer 4 UWG an den
Verfügungskläger als Geschäftskunden übersandte E-Mail der
Verfügungsbeklagten vom 17.06.2009 stellt gemäß § 7 Absatz 1
Satz 1 und Absatz 2 Ziffer 3 UWG eine wettbewerbswidrige
unzumutbare Belästigung dieses Kunden dar. Absatz 21
Der Umstand, dass die Versendung in ihrer konkreten Form nach
dem unwidersprochenen Vorbringen der Verfügungsbeklagten auf
ein Versehen der damit befassten Mitarbeiterin im
datentechnischen Bereich zurückzuführen ist, rechtfertigt
keine andere Beurteilung. Denn die Versendung einer Werbe-
E-Mail an einen (Geschäfts-) Kunden stellt eine geschäftliche
Handlung im Sinne von § 2 Absatz 1 Ziffer 1 UWG dar und eröffnet
deshalb einen Unterlassungsanspruch, weil damit eine auf die Förderung
des Absatzes ihrer Waren und Dienstleistungen gerichtete
Handlung der Verfügungsbeklagten vorliegt. Absatz 22
Soweit der Bundesgerichtshof in jüngerer Zeit bei
versehentlichen Vertragsverletzungen eine geschäftliche
Handlung im Sinne von § 2 Absatz 1 Ziffer 1. UWG verneint hat,
lagen dem besondere Sachverhaltskonstellationen zugrunde, die
eine enge Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen eines
wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches erforderten.
Anders als die versehentliche Verletzung von Pflichten aus einem
zwischen zwei Wettbewerbern im Bereich der
Telekommunikationsdienstleistungen geschlossenen Vertrag, deren
Auswirkung nur unter besonderen Umständen als unlautere
(gezielte) Behinderung des Mitbewerbers im Sinne von § 4 Ziffer
10. UWG eingestuft werden kann (so BGH, Urteil vom 05.02.2009 -
I ZR 119/06 - BeckRS 2009 22023 - "Änderung der
Voreinstellung II"; BGH GRUR 2007, 987, 988 Rd. 24 f. -
"Änderung der Voreinstellung"; vgl. dazu auch BGH
GRUR 2009, 685, 689 Rd. 37 ff. - "ahd.de"; Isele GRUR
2009, 727, 728), erfasst der vorliegende Fall eine klassische
Werbemaßnahme gegenüber einem Geschäftskunden. Eine einschränkende
Auslegung des weitgefassten Begriffs der geschäftlichen
Handlung in § 2 Absatz 1 Ziffer 1. UWG n. F. ist in diesem Fall
nicht geboten, sondern würde im Ergebnis zu einer mit dem
Schutzzweck des UWG nicht zu vereinbarenden Privilegierung großer
Unternehmen, die sich aufwendiger technischer Werbemittel
bedienen, führen. Vielmehr ist an dem auch § 8 Absatz 2 UWG
zugrundeliegenden Rechtsgedanken, dass die arbeitsteilige
Organisation eines Unternehmens dessen Verantwortung für das
Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen soll (vgl. BGH GRUR
2007, 994, 995 Rd. 19 - "Gefälligkeit"; OLG Köln
GRUR-RR 2006, 205, 206), festzuhalten. Absatz 23
Die grundsätzlich auch nach § 8 Absatz 1 Satz 1 UWG
erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus dem hier
festgestellten Erstverstoß der Verfügungsbeklagten. Ein Verfügungsgrund
im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit ist nach § 12
Absatz 2 UWG entbehrlich. Absatz 24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Absatz 25
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte
lediglich klarstellend. Die vorläufige Vollstreckbarkeit einer
einstweiligen Verfügung ergibt sich bereits aus den §§ 929,
936 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 922
Rd. 16). Absatz 26
Streitwert: 30.000,00 €.
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