09.09.2009 - OLG Köln, Az: 6 U 48/09
Newsletterversand mit kritischen Hinweisen auf Mitbewerber;
Herabsetzung der Tätigkeiten eines Mitbewerbers (§ 4 Nr. 7 UWG)
Leitsätze
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OLG Köln
Urteil vom 09.09.2009
Az: 6 U 48/09
G R Ü N D E :
A.
Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf
den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit der
Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren in leicht modifizierter
Form, wie aus dem Tenor ersichtlich, weiter. Die Beklagte verteidigt das
angefochtene Urteil. Absatz 1
B.
Die Berufung hat Erfolg. Den Klägern steht ein Anspruch auf
Unterlassung der verfahrensgegenständlichen Äußerung aus § 8 Absatz
1 Satz 1, § 3 Absatz 1, § 4 Nr. 7 UWG zu. Absatz 2
I. Soweit sich die Kläger gegen die Äußerung der Beklagten im
Internet wenden, ist allein das UWG in der seit dem 30. Dezember 2008
geltenden Fassung anzuwenden, weil die Beklagte - wie die Parteien in
der Berufungsverhandlung klargestellt haben - den Newsletter in der
angegriffenen Form weiterhin auf einer von ihr betriebenen Homepage im
Internet eingestellt hat. Soweit sich die Kläger gegen die Versendung
des Newsletters per e-mail wenden, ist es zusätzlich erforderlich, dass
die Versendung nach der zu diesem Zeitpunkt, also nach der bis zum 29.
Dezember 2008 geltenden Fassung des UWG (im Folgenden: UWG 2004), unzulässig
war. Beides ist der Fall. Absatz 3
II. Die Parteien sind Wettbewerber. Der Kläger zu 2 erbringt ebenso wie
die Beklagte Coachingdienstleistungen. Die Klägerin zu 1 ist ein
Berufsverband professioneller Coachs. Absatz 4
III. Durch die Verbreitung des Newsletters im Internet hat die Beklagte
gegen § 3 Absatz 1, § 4 Nr. 7 UWG verstoßen. Absatz 5
1. Diese Verbreitung ist eine geschäftliche Handlung der Beklagten im
Sinne des § 2 Absatz 1 Nr. 1 UWG. Die Beklagte betreibt die Homepage
www.coaching- newsletter.de jedenfalls auch zu dem Zweck, auf sich und
ihre sonstigen Angebote aufmerksam zu machen. Die verwendete domain
gleicht einem Serienzeichen, durch das der Zusammenhang mit den geschäftlichen
Angeboten der Beklagten deutlich gemacht wird; so verweist die
"Portalübersicht" auf der Seite auf zahlreiche weitere von
der Beklagten betriebene Internetseiten, deren domains jeweils nach dem
Muster www.coaching-___.de aufgebaut ist: Coaching-Report;
Coaching-Newsletter; Coaching-Magazin: Coaching-Board; Coaching-Lexikon;
Coaching-Literatur; Coaching-Tools; Coaching-Links; Coaching-Videos;
Coach-Agentur; Coach-Datenbank; Coach- Ausbildungen;
Coach-Ausschreibungen; Coach-Kalender. Der gesamte Internetauftritt der
Beklagten ist damit jedenfalls auch darauf ausgerichtet, die Öffentlichkeit
auf die entgeltlichen Angebote der Beklagten aufmerksam zu machen. Die
Newsletter vermitteln den Eindruck, die Beklagte sei ein besonders
fachkundiger, wissenschaftlichem Arbeiten verpflichteter, mit anderen
Worten: seriöser Anbieter von Coachingdienstleistungen. Gerade die
redaktionellen Beiträge in dem newsletter fördern dieses Image. Die
Verbreitung der Newsletter ist damit ein Verhalten der Beklagten
zugunsten ihres eigenen Unternehmens, das mit der Förderung des
Absatzes der von der Beklagten angebotenen Dienstleistungen in
Zusammenhang steht und geeignet ist, die Anbahnung von Geschäftsabschlüssen
zu fördern. Ob die Beklagte die Newsletter insoweit bewusst zur Absatzförderung
einsetzt, ist unerheblich, da eine geschäftliche Handlung eine
Wettbewerbsabsicht nicht voraussetzt; ausreichend ist der objektive
Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Absatzförderung. Absatz 6
Ein anderes Verständnis ist auch nicht im Hinblick auf Art. 5 Absatz 1
GG geboten. Zwar fallen die Äußerungen der Beklagten in den
Schutzbereich des Art. 5 Absatz 1 GG. Den sich daraus ergebenden
Auswirkungen kann aber im Rahmen der bei Anwendung des § 4 Nr. 7 UWG
erforderlichen Abwägung Rechnung getragen werden. Absatz 7
2. Die Beklagte hat durch die Äußerungen in dem Newsletter die Kläger
in Bezug auf deren geschäftliche Tätigkeit unzulässig im Sinne des §
4 Nr. 7 UWG herabgesetzt. Absatz 8
Allerdings beruft sich die Beklagte zu Recht darauf, dass ihre Äußerungen
in den Schutzbereich des Art. 5 Absatz 1 GG fallen. Zwar handelt es sich
bei dem Newsletter nicht um "Presse" iSd. Art. 5 Absatz 1 Satz
2 GG, denn für diese ist wesensmäßig, dass ein körperliches Medium
vorliegt, das zur Verbreitung bestimmt ist. Maßgeblich ist insofern die
Herstellungs- und Vervielfältigungsmethode (BVerfGEnbsp;25,
296,nbsp;307 = NJWnbsp;1969,nbsp;1019
"Zeugnisverweigerungsrecht"; s. auch Beck’scher
Online-Kommentar-Schemmer, Art. 5 Rdn. 42 f.). Einschlägig ist aber die
Rundfunkfreiheit, die auch den Schutz von Online-Medien umfasst (vgl.
BeckOK,nbsp;ebd.). Erforderlich ist insofern, dass die Darbietung an
eine beliebige, unbestimmte Personengruppe, die auch Teilöffentlichkeit
sein kann, adressiert ist und dass eine redaktionelle Tätigkeit
vorliegt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Newsletter der Beklagten.
Der coaching-newsletter ist an die Öffentlichkeit gerichtet, die ihn über
das Internet einsehen kann. Er ist wie ein Presseerzeugnis aufgemacht,
enthält Beiträge, Nachrichten, Rezensionen und ein Impressum, in dem
auf den verantwortlichen Redakteur hingewiesen wird. Die redaktionelle Tätigkeit
ist daher unverkennbar. Dass der Newsletter auch Werbung enthält, steht
dem nicht entgegen; vielmehr ist Werbung sowohl im Rundfunk als auch in
der Presse üblich, ohne dass dadurch der Schutz des Art. 5 Absatz 1
Satz 2 GG berührt würde. Der Newsletter genießt daher den Schutz der
Rundfunkfreiheit, wobei sich dieser Schutz nicht - wie der Wortlaut des
Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG dies nahelegen könnte - nur auf die
Berichterstattung bezieht, sondern jede Vermittlung von Information und
Meinung einschließt (BeckOK, aaO., Rdn. 67 ff. mwN.). Ist der
Newsletter also durch die Rundfunkfreiheit geschützt, besteht ein
sachlicher Unterschied zur Pressefreiheit nicht, denn der Gewährleistungsbereich
der Rundfunkfreiheit ist so weit gefasst wie der der Pressefreiheit
(vgl. BVerfGEnbsp;91, 125,nbsp;134nbsp;ff = NJW 1995, 184
"Fernsehaufnahme im Gerichtssaal"). Absatz 9
Dieser Schutz besteht allerdings nicht schrankenlos, sondern findet
seine Grenzen gemäß Art. 5 Absatz 2 GG insbesondere in den allgemeinen
Gesetzen, die ihrerseits wiederum im Lichte der Verfassung, also so
auszulegen sind, dass die verfassungsrechtlich geschützten Rechte zur
Geltung kommen. Gleichwohl führt § 4 Nr. 7 UWG dazu, dass Äußerungen
in Bezug auf einen Mitbewerber verboten sein können, die außerhalb
eines Wettbewerbsverhältnisses erlaubt sind (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
27. Aufl., § 4 Rdn. 7.18). Unzulässig sind daher nicht nur unwahre
Tatsachenbehauptungen über einen Wettbewerber, sondern auch solche
Meinungsäußerungen, die einen Wettbewerber ohne sachlichen Grund
pauschal abwerten. Zwar ist jede Meinungsäußerung unabhängig von
ihrem Inhalt in den Schutzbereich des Art. 5 Absatz 1 GG einbezogen. Bei
der bei Anwendung des § 4 Nr. 7 UWG erforderlichen Abwägung ist aber
zu berücksichtigen, ob die Äußerung einem sachlichen
Informationsinteresse des angesprochenen Verkehrs dient. Art. 5 Absatz 1
GG schützt die Meinungsäußerung als Mittel geistiger
Auseinandersetzung. Ist eine Äußerung über einen Mitbewerber ohne
sachlichen Bezug und ermöglicht dem Leser ein sachbezogenes Urteil
nicht, muss der Schutz des Art. 5 Absatz 1 GG daher hinter dem Schutz
eines lauteren Wettbewerbs zurückstehen (vgl. BGHnbsp;GRURnbsp;1982,
234,nbsp;236 - Großbanken- Restquoten). Absatz 10
Nach diesen Maßstäben erweist sich die beanstandete Äußerung in dem
Newsletter verbunden mit der Verlinkung auf die Artikel der
Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (im Folgenden:
EZW) als unzulässig. In dem Newsletter wird zunächst lediglich ein
Problem des Coachingmarktes angesprochen, dessen Bestehen, wie die mündliche
Verhandlung gezeigt hat, zwischen den Parteien unstreitig ist, nämlich
die mangelnde Qualität und Seriösität einiger Anbieter von
Coachingdienstleistungen. Zum Beleg dieser These verweist der Newsletter
auf zwei Artikel der EZW, deren erster bereits in seiner Überschrift es
nahegelegt, dass er diese Anbieter konkret benennt: "Scharlatane
auf dem Coaching-Markt". Diese Annahme wird zusätzlich dadurch gefördert,
dass in dem Newsletter durch die Formulierung, es befänden sich
"immer noch" merkwürdige Anbieter auf dem Markt, der Eindruck
hervorgerufen wird, die Zahl unseriöser Anbieter gehe zurück, die
"schwarzen Schafe" könnten daher benannt werden. Unter diesen
Umständen und unter Berücksichtigung der menschlichen Neugier auf
Skandale liegt es besonders nahe und entspricht überdies dem Zweck der
Verlinkung, dass der Leser die Artikel der EZW zur Kenntnis nimmt. Dort
(in dem Artikel "Scharlatane auf dem Coaching-Markt") erfährt
der Leser, dass zu den unseriösen Anbietern die Kläger, die hier beide
namentlich genannt sind, gehören. Dies ist bereits deshalb sachlich
nicht gerechtfertigt, weil es nach dem weiteren Inhalt des Artikels
unter den insgesamt 35.000 Anbietern von Coachingdienstleistungen nur
3.500 seriöse Anbieter gibt. Ein sachlicher Grund, von den 31.500
unseriösen Anbietern gerade die Kläger und nur einen weiteren Anbieter
namentlich zu benennen, ist nicht zu erkennen. Vielmehr werden die Kläger
auf diese Weise an den Pranger gestellt. Warum die Kläger insoweit als
Exempel dienen, ergibt sich aus dem Artikel nicht, denn dort werden die
Kläger lediglich pauschal abgewertet. Der Nennung der Kläger geht die
nicht namentliche Erwähnung eines Bonners Anbieters von "Namen-Coaching"
voraus, der sich auf die Zahlenmystik der Kabbala stützt. Dann heißt
es: "Mit pikanten Fallgeschichten werden darüber hinaus namentlich
zwei Anbieter als Negativbeispiele vorgeführt, die
Weltanschauungsexperten keine Unbekannten sind". Damit wird der
Eindruck erweckt, auch die Kläger bedienten sich mystischer
Coachingmethoden, ohne dass dies in irgendeiner Weise belegt wird. Auch
zu den "pikanten Fallgeschichten" finden sich keine weiteren
sachlichen Informationen, sondern lediglich die Behauptung, die
Fallbeispiele seien überprüfbar und "dürften für erheblichen
Wirbel in der Szene sorgen". Ein sachbezogenes Urteil wird dem
Leser dadurch nicht ermöglicht; es bleibt allein der diffuse Eindruck,
die geschäftliche Tätigkeit der Kläger sei nicht auf
wissenschaftliche oder praktische Erkenntnisse gegründet; vielmehr
handele es sich bei den Klägern um eine sektenähnliche Organisation,
die jeden, der sich auf sie einlässt, ins Verderben führt. Absatz 11
Entsprechendes gilt für den weiteren Artikel des EZW "Coachingmarkt
sucht Struktur und Qualität". Dort wird über die Klägerin
ausgesagt, sie habe "ziemliche Konflikte produziert". Worin
diese bestehen, ergibt sich aus dem Artikel nicht, so dass auch hier dem
Leser das Urteil über die Klägerin vorgegeben, eine eigene Beurteilung
aber nicht ermöglicht wird. Das gilt auch hinsichtlich der Äußerung,
die Klägerin sei ein "Vertreter der sich wissenschaftlich gebenden
Psychoszene", mit der die Klägerin zudem in Zusammenhang mit neuen
religiösen Gruppierungen, Sekten und Psychogruppen und
"Scientology-Methoden" gestellt wird. Auch diese Beschreibung
stellt die Klägerin in ein schlechtes Licht, ohne sachlich über die Gründe
hierfür zu informieren und dem Leser damit ein eigenes Urteil zu ermöglichen.
Diese Möglichkeit wird dem Leser auch nicht dadurch eröffnet, dass der
Artikel sich seinerseits auf eine andere Veröffentlichung ("H.
Hemminger in: G. Gehl, M. Neff [Hg.], Psychomarkt Deutschland, Weimar
2005, 31 f.") beruft. Dadurch wird zwar der eigene Anspruch von
Seriösität unterstrichen, eine sachliche Information erhält der Leser
jedoch nicht, denn es ist nicht zu erwarten, dass der durchschnittliche
Leser des Newsletters dieses Werk zur Hand nehmen kann, um dann dort die
sachliche Information zu erhalten, die ihm der Newsletter und die von
dort aus verlinkten Seiten nicht bieten. Da der Leser durch den Artikel
"Scharlatane auf dem Coaching-Markt" über die Verbindung des
Klägers mit der Klägerin informiert ist, wird durch die gemeinsame
Verlinkung auf beide Artikel auch die geschäftliche Tätigkeit des Klägers
herabgesetzt. Absatz 12
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, die verlinkten Artikel seien
durch Art. 5 Absatz 1 GG geschützt und eine Verlinkung hierauf könne
daher nicht unzulässig sein. Denn es gelten - wie ausgeführt -
innerhalb eines Wettbewerbsverhältnisses andere Maßstäbe als dies für
Äußerungen eines Dritten der Fall ist. Ein Wettbewerber kann sich
daher Äußerungen eines Dritten auch dann nicht ohne weiteres zu eigen
machen, wenn diese im Lichte des Art. 5 Absatz 1 GG zulässig sind. Das
gilt insbesondere dann, wenn es sich wie hier mittelbar um eigene
Aussagen des Wettbewerbers handelt, denn der Artikel "Scharlatane
auf dem Coaching-Markt" des EZW beruft sich seinerseits wiederum
auf den Geschäftsführer der Beklagten als Branchenkenner; der Artikel
"Coachingmarkt sucht Struktur und Qualität" beruft sich auf
den von den von dem Geschäftsführer der Beklagten geleiteten
"Deutschen Bundesverband Coaching". Gleiches gilt für den
Artikel im manager-magazin, in dem ebenfalls wiederum die Kläger
namentlich genannt und negativ beschrieben sind, während der Geschäftsführer
der Beklagten dort als "Coachingexperte" angeführt ist.
Absatz 13
IV. Die Versendung des Newsletters als e-mail an über 26.000 Abonnenten
war zudem auch bereits nach §§ 3, 4 Nr. 7 UWG 2004 unzulässig. Die
Ausführungen zu § 4 Nr. 7 UWG hinsichtlich des Inhalts des Newsletters
gelten entsprechend. Insoweit hat die Neufassung des Gesetzes über den
unlauteren Wettbewerb zu keiner Veränderung geführt. Es lag zudem die
von § 3 UWG 2004 vorausgesetzte Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2
Absatz 1 Nr. 1 UWG 2004 vor; insbesondere fehlt nicht die hierfür
erforderliche Wettbewerbsabsicht. Zwar gilt bei Äußerungen, die in den
Schutzbereich des Art. 5 Absatz 1 GG fallen, die für das Vorliegen
einer Wettbewerbsabsicht sprechende tatsächliche Vermutung nicht (BGH
GRUR 1982, 234, 235 - Großbanken- Restquoten). Ist jedoch der Äußerung
nicht die Absicht zu entnehmen, das Publikum sachbezogen zu unterrichten
und am öffentlichen Meinungsbildungsprozeß teilzunehmen, sondern wird
ein Mitbewerber vor der Öffentlichkeit ohne nähere Begründung als
unseriös hingestellt, so zeigt sich darin die Absicht, dem Leser den
Eindruck zu vermitteln, dass die eigenen geschäftlichen Leistungen
gegenüber der der Konkurrenz den Vorzug verdienen (BGH, aaO., S. 235
f.). Dies ist hier aus den dargelegten Gründen der Fall. Absatz 14
V. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO; die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO. Absatz 15
2. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung
beruht auf der Anwendung der hinreichend geklärten Grundsätze zu § 4
Nr. 7 UWG auf einen Einzelfall. Absatz 16
3. Streitwert für das Berufungsverfahren: 35.000 €.