14.07.2009 - AG Düsseldorf, Az. 48 C
1911/09
Confirmed-Opt-In-Verfahren reicht nicht; Versender trifft Beweislast für
Zustimmung des Empfängers über den Erhalt von E-Mail-Werbung
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AMTSGERICHT DÜSSELDORF
Im Namen des Volkes
URTEIL
AG Düsseldorf
48 C 1911/09
14.07.2009
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom
05.05.2009 durch… für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen im geschäftlichen
Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger zur Aufnahm e eines erstmaligen
geschäftlichen Kontakts per e-mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass seine
ausdrückliche Einwilligung vorliegt; Bestätigungs-e-mails im
sogenannten double-opt-in Verfahren sind von dieser
Unterlassungsverpflichtung nicht umfasst.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die
vorgenannte Unterlassungsverpflichtung die Verhängung eines
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, mit der Maßgabe, dass sie an
einem organschaftlichen Vertreter zu vollziehen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, darüber Auskunft zu geben, welche Daten
zur Person des Klägers bei ihrem Unternehmen gespeichert sind, auch
soweit sie s ich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit
der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder
Stellen diese Daten regelmäßig übermittelt werden.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 302,10 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz
seit dem 06.11.2008 zu zahlen.
Der Kläger trägt die Kosten, die durch die Anrufung de s unzuständigen
Gerichts entstanden sind. Im Übrigen trägt die Beklagte die Kosten des
Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von
110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Die Beklagte ist Betreiberin der Domain
www….. de.
Auf dieser Internetseite kann man sich als Abonnent für den Empfang
regelmäßiger Newsletter der Beklagten eintragen (sogenanntes Opt-in
Verfahren). Durch die Registrierung erwirbt man die Club-Mitgliedschaft
und nimmt neben dem Erhalt des Newsletters regelmäßig an Gewinn
Aktionen teil.
Am 29.09.2008 wurde von der Beklagten um 17:30 Uhr eine e-mail an die
berufliche e-mail-Adresse des Klägers …@....de gesan dt. Mit dieser
wurde dem Kläger mitgeteilt, dass seine Registrierung erfolgreich
gewesen sei und dass die Beklagte ab sofort ihren Newsletter Lifetimes
monatlich an seine Adresse senden werde. Die e-mail enthielt ferner
folgenden Text, verknüpft mit einem entsprechenden Link:
"Haben Sie … Lifetimes nicht bestellt und diese e-mail irrtümlich
erhalten? Dann klicken Sie bitte hier, um aus dem XXX Lifetimes
Verteiler gelöscht zu werden."
Dieses Verfahren wird als Confirmed Opt-in Verfahren bezeichnet.
Am 01.10.2008 um 18.24 Uhr wurde von der Beklagten und ihrem …
Lifetimes Team per e-mail ein Werbeschreiben mit dem Betreff "Terra
Activ: Pina Colada im Putzeimer" an die vorgenann te e-mail-Adresse
des Klägers gesandt.
Mit Schreiben vom 01.10.2008 mahnte der Kläger die Beklagte ab und
verlangte unter Fristsetzung bis zum 15.10.2008 die Abgabe einer
Unterlassungserklärung und Auskunftserteilung über seine im
Unternehmen der Beklagten verwalteten Daten (Anlage K 1/Blatt 9 ff. der
Akte). Zusätzlich verlangte er die Erstattung seiner
Rechtsanwaltskosten.
Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 15.10.2008 und lehnte
die Forderungen des Klägers ab.
Der Kläger berechnete seine außergerichtliche n Rechtsanwaltsgebühren
in der Klageschrift ursprünglich wie folgt.
Streitwert: 7.000,00 €
Geschäftsgebühr §§ 13,14 Nr. 2300 VV RVG 1,3: 487,50 €
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €
19 % Mehrwertsteuer: 96,43 €
Gesamt: 603,93 €
Der Kläger hat ursprünglich vor dem Landgericht Düsseldorf beantragt,
1. der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu
Werbezwecken mit ihm zur Aufnahm e eines erstmaligen geschäftlichen
Kontakts per e-mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass seine ausdrückliche
Einwilligung vorliegt; Bestätig ungs-e-mails im sogenannten
double-opt-in Verfahren sollen jedoch von dieser Untersagung nicht
umfasst sein.
2. der Beklagten für den Fall jeder Zuwiderhandlung gegen 1. ein
Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen, wobei d ie Ordnungshaft für
die Beklagte am Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten zu vollziehen
ist..
3. die Beklagte dazu zu verurteilen, darüber Auskunft zu geben, welche
Daten zu seiner Person bei ihrem Unternehmen gespeichert sind, auch
soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit
der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder
Stellen diese Daten regelmäßig übermittelt werden.
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 603,93 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. ab Rechtshängigkeit
zu zahlen.
Mit Beschluss vom 10.02.2009 hat das Landgericht Düsseldorf den
Streitwert auf lediglich 3.500,00 € festgesetzt, sich für sachlich
unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Düsseldorf
verwiesen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
unter Aufrechterhaltung der übrigen Klageanträge,
5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 302,10 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. ab Rechtshängigkeit
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe sich vor Zusendung der
streitgegenständlichen e-mails selbst als Club-Mitglied unter Angabe
seiner e-mail Adresse auf der Internetseite der Beklagten registriert
und den Empfang regelmäßiger Nachrichten hierbei explizit bestätigt.
Zumindest habe er die Registrierung durch eine dritte Person veranlasst
um sich selbst eines Anspruchs auf Ersatz von Abmahnkosten zu berühmen.
Die Klage werde rechtsmissbräuchlich, allein zur Erzielung anwaltlicher
Gebühren verfolgt.
Die Klage wurde der Beklagten am 06.11.2008 zugestellt.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Unterlassung der
Aufnahme von geschäftlichen Kontakten zu Werbezwecken per e-mail.
Der Anspruch beruht auf §§ 823 A bs. 1, 1004 Abs. 1 BGB.
Die Beklagte hat durch die Zusendung des Newsletters vom 01.10.2008 das
Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
rechtswidrig verletzt.
Es liegt ein Eingriff in das Recht des eingerichteten und ausgeübten
Gewerbes des Klägers vor. Das Sichten und Aussortieren unerwünschter
e-mails bi ndet nicht unerheblich Zeit- und Arbeitskraft. Ein
Rechtsanwalt muss zur Vermeidung von Haftungsfällen jeder einzelne e-m
ail sorgfältig auf ihren Inhalt überprüfen. Hinzu kommt, dass durch
zahlreiche Werbe-e-mails die Speicherkapazität der Em pfänger-Mailbox
überschritten werden kann, was zu Datenverlusten oder Rück sendungen
eingehender e-mails an den Absender führen kann.
Die Beklagte ist beweisfällig dafür, dass die Versendung der
Werbe-e-mail vom 01.10.2008 durch eine vorherige Zustimmung des Klägers
gerechtfertigt war. die von ihr vorgetragenen Indizien rechtfertigen
diesen Rückschluss nicht.
Unerheblich ist, ob die Zusendung des Newsletters durch die Beklagte
selbst oder durch eine dritte Person veranlasst wurde. Die Beklagte
haftet aufgrund ihrer Inhaberschaft der Internetseite jedenfalls als
Mitstörer. Denn sie hat mit ihrer Internetseite die Möglichkeit zur
Versendung von Werbung an Privatpersonen und Gewerbetreibende
geschaffen, die mit der Zusendung nicht einverstanden s ind. Allein dass
der Erwerb der Mitgliedsschaft, der zum Abonnement des Newsletters nötig
ist, auch positive Nebeneffekte wie Gewinnmöglichkeiten, mit sich
bringen mag, verhindert nicht die Möglichkeit der Versendung des
Newsletters an Personen, die den Empfang des Newsletters dennoch nicht wünschen.
Die Beklagte hat keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen um die
missbräuchliche Versendung von e-mails durch Dritte unter Ausnutzung
ihres Internetportals zu verhindern. Hierzu hätte sie das sogenannte
double opt-in Verfahren für die Versendung ihres Newsletters wählen müssen.
Hier wird der Newsletter erst durch die Bestätigung der Begrüßungs-e-mail
aktiviert. Auf diese Weise wird verhindert, dass die e-mail Adresse ohne
Einverständnis des Empfängers für einen fortlaufenden Bezug von
Newsletters verwendet wird. Reagiert der Empfänger gar nicht, gilt dies
als Ablehnung. Dies ist bei dem sogenannten confirmed opt-in Verfahren
anders, hier muss der Empfänger aktiv werden um eine künftige Überflutung
seines Postfaches durch einen fortlaufenden Newsletter zu verhindern
(vgl. AG Berlin-Mitte, Urteil vom 11.06.2008, Az. 21 C 43/08).
Aufgrund der rechtswidrigen Zusendung der e-mail vom 01.10.2008 wird die
Wiederholungsgefahr vermutet.
Die Geltendmachung des Anspruches ist auch nicht gemäß § 242 BGB
unbegründet, weil sie rechtsmissbräuchlich, allein aus Gebühreninteresse
erfolgt wäre. Der Kläger verfolgt mit der Abwehr des rechtswidrig
versandten Newsletters ein berechtigtes Interesse, die Gebührenerzielung
ist lediglich ein Reflex dieser Tätigkeit.
2. Die Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft beruht auf § 890
ZPO.
3. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Auskunft darüber,
welche Daten zu seiner Person bei ihrem Unternehmen gespeichert sind,
auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck
mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen
oder Stellen diese Daten regelmäßig übermittelt werden. Der Anspruch
beruht auf § 34 BDSG.
4. Der Kläger hat weiterhin gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 302,10 €, die
aufgrund seines Abwehrschreibens vom 01.10.2008 entstanden sind.
Der Anspruch beruht auf § 823 Abs. 1 BGB als Folge des vorgenannten
rechtswidrigen Eingriffs in seinen eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb. Die eigene rechtsanwaltliche Tätigkeit zur Abwendung
weiteren Schadens, ist ersetzbar, da sie nach der Verkehrsanschauung
einen Marktwert besitzt (Palandt, BGB, 67. Auflage, Vorb. V. § 249 Rn.
37).
Die Rechtsanwaltskosten des Klägers berechnen sich wie folgt:
Streitwert: 3.500,00 €
Geschäftsgebühr §§ 13,14, Nr. 2300 VV RVG 1,3: 282,10 €
Ausla genpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €
Gesamt: 302,10 €
5. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 269
Abs. 3 Satz 2, 281 Abs. 3 Satz 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
III. Der Streitwert wird auf 3.500,00 € festgesetzt. Die
Rechtsanwaltskosten sind gemäß § 4 ZPO dem Streitwert nicht
hinzuzurechnen.