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22.09.2009 - BGH, Az: VI ZR 19/08
Zur Meinungsfreiheit bei kritischen Äußerungen über ein Unternehmen
und dessen Vorstandsvorsitzenden
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 19/08
22. September 2009
In dem Rechtsstreit
...
gegen
...
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
22. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter ..., die Richter ..., ..., ...
und die Richterin von ...
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des
Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 18. Dezember 2007 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des
Landgerichts Hamburg vom 19. Januar 2007 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1 ist ein Großunternehmen. Der Kläger zu 2 war bis Ende 2005
Vorsitzender ihres Vorstands. Der Beklagte ist Aktionär der Klägerin zu 1 und
Sprecher eines Aktionärsverbandes. Er hat sich wiederholt als Buchautor
kritisch zu den Klägern geäußert.
Am 28. Juli 2005 meldete die Klägerin zu 1, ihr Aufsichtsrat habe beschlossen,
dass der Kläger zu 2 zum 31. Dezember 2005 aus dem Unternehmen ausscheide. Am
gleichen Tag wurde in der – auch in Hamburg zu empfangenden – Fernsehsendung
„SWR-Landesschau“ ein mit dem Beklagten geführtes Interview ausgestrahlt,
in dem dieser unter anderem folgende Äußerungen machte:
„Frage: Was für viele ja den Rücktritt hier fast schon sympathisch macht,
ist die Tatsache, dass er überhaupt keine Abfindungen annimmt, da er kein Geld
möchte, obwohl er ja eigentlich vertraglich den Anspruch hätte. Gibt es da
eine Erklärung?
Antwort des Beklagten: Jetzt muss man mutmaßen, aber wenn Sie Herrn S. [den Kläger
zu 2] kennen, da gibt es nun Fälle, wo ich denke, jemand will Millionen, man
schätzt er hat zwischen 5 und 7 Millionen Euro pro Jahr verdient, er nun
durchaus darauf Wert gelegt hat, dass man ja auch die Kleinigkeiten im Leben
gezahlt hat, dann kann man nicht sagen, dass der S. unbedingt so orientiert ist,
dass er gerne auf das Geld verzichtet. Es gibt meines Erachtens andere Dinge,
die im Raume stehen und die jetzt geklärt werden müssen in den nächsten
Monaten. Ich glaube nicht, dass der Rücktritt freiwillig war. Ich glaube, dass
er dazu gedrängt und genötigt wurde. Aufsichtsratsbörse, Aktionäre, alle
wichtigen Partner hat er nun verloren, die Rückendeckung verloren, und das muss
damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr
S. geregelt hat.“
Das Landgericht hat dem Antrag der Kläger stattgegeben, folgende Äußerungen
zu untersagen:
„a) Ich glaube nicht, dass der Rücktritt (des Klägers zu 2 als Vorsitzender
des Vorstands der Klägerin zu 1) freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt
und genötigt wurde.
b) … und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so
sauber waren, die Herr S. geregelt hat.“
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist zurückgewiesen
worden. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte
weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen den Klägern die geltend gemachten
Unterlassungsansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog
zu, weil die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen den Kläger zu 2 in
seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und die Klägerin zu 1 in ihrem
Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletze.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die Äußerungsteile „Ich
glaube nicht, dass der Rücktritt … freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu
gedrängt und genötigt wurde.“ als Tatsachenbehauptungen einzuordnen. Die
einleitenden Worte „Ich glaube nicht, …“ und „Ich glaube, …“
verliehen der Äußerung nicht den Charakter einer Bewertung. In Betracht käme
deshalb allenfalls eine Einordnung der Äußerungen als – zulässige –
Verdachtsäußerungen. Jedoch seien die insoweit zu stellenden Anforderungen
nicht erfüllt. Es sei davon auszugehen, dass die beanstandeten Behauptungen
unwahr seien, weil der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte weder
dargetan noch Beweis dafür angetreten habe, dass der Kläger zu 2 nicht
freiwillig den Rücktritt erklärt habe und dass er dazu gedrängt oder genötigt
worden sei.
Die Äußerung „… und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte
nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat.“ habe das Landgericht
zu Recht als Meinungsäußerung eingestuft, aber als unzulässige Schmähkritik
untersagt. Der Beklagte habe für seine Kritik keine Anknüpfungspunkte
dargelegt. In einem solchen Fall müsse, da die Aussage – weil jeder tatsächlichen
Grundlage entbehrend – nur der Kränkung und Demütigung der Kläger zu dienen
bestimmt gewesen sei, die Meinungsfreiheit hinter dem Schutz der Persönlichkeit
der Kläger zurücktreten.
Der Beklagte könne sich zur Rechtfertigung seiner Äußerungen auch nicht
darauf berufen, dass er Presseberichte guten Glaubens aufgegriffen habe.
Hinsichtlich seiner Behauptung, er glaube, dass der Kläger zu 2 nicht
freiwillig zurückgetreten sei, fehle es an Presseberichten zum Zeitpunkt seiner
Äußerungen, weil solche erst an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht
worden seien. Zudem habe der Beklagte eine Biografie über den Kläger zu 2
verfasst und sei deshalb keine unkundige Person gewesen. Hinsichtlich seiner
Kritik, die Geschäfte des Klägers zu 2 seien „nicht immer so sauber“
gewesen, enthielten die vorgelegten Presseberichte keine Fakten.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
Diese rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Ausführungen des Beklagten
zu Unrecht teilweise als Tatsachenbehauptungen eingestuft sowie die
Anforderungen an das Vorliegen einer Schmähkritik verkannt hat. Deshalb hat es
die gebotene Abwägung zwischen dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung
nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches
Ansehen der Kläger, zu dessen Wahrung auch juristische Personen Ehrenschutz in
Anspruch nehmen können (vgl. Senatsurteile vom 16. November 2004 – VI ZR
298/03 – VersR 2005, 277, 279 m.w.N.; vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07 –
VersR 2009, 555 Rn. 10), nicht vorgenommen.
1. a) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung
oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es nach ständiger
Rechtsprechung der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts. Insbesondere
ist jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem
sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst
einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (Senatsurteile BGHZ 132, 13,
21; vom 28. Juni 1994 – VI ZR 252/93 - VersR 1994, 1120, 1121; vom 16.
November 2004 – VI ZR 298/03 – aaO; vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07 –
aaO, Rn. 11). So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder
Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige
Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigenden
– Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung
gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen
den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird (vgl. Senatsurteile vom
25. März 1997 – VI ZR 102/96 – VersR 1997, 842, 843; vom 16. November 2004
– VI ZR 298/03 – aaO; vom 2. Dezember 2008 – VI ZR 219/06 – VersR 2009,
365 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07 – aaO). Dabei ist zu beachten,
dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von
Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können,
sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die
insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens
geprägt werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 – VI ZR 45/05 –
VersR 2007, 249, 250; vom 11. März 2008 – VI ZR 189/06 – VersR 2008, 695
Rn. 12; vom 22. April 2008 – VI ZR 83/07 – VersR 2008, 971 Rn. 16; vom 3.
Februar 2009 – VI ZR 36/07 – aaO).
b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Ermittlung des
Aussagegehalts nicht beachtet, was revisionsrechtlich in vollem Umfang zur Überprüfung
steht (vgl. Senatsurteile vom 22. November 2005 – VI ZR 204/04 - VersR 2006,
382 m.w.N.; vom 11. März 2008 – VI ZR 189/06 – aaO, Rn. 11; vom 3. Februar
2009 – VI ZR 36/07 – aaO, Rn. 12). Entgegen seiner Auffassung sind auch die
von ihm als Tatsachenbehauptungen eingestuften Äußerungsteile dem Schutz des
Art. 5 GG zu unterstellen, weil es sich bei Berücksichtigung des
Gesamtkontextes um Äußerungen handelt, die insgesamt durch die Elemente der
Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden.
aa) Es ist zwar richtig, dass sich alleine aus den einleitenden Worten „Ich
glaube nicht, …“ bzw. „Ich glaube, …“ nicht der Charakter einer
Bewertung ergibt, die dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterliegt. Solche
Formulierungen stehen ebenso wie die Formulierungen „mit an Sicherheit
grenzender wtrp Wahrscheinlichkeit“, „sollen angeblich“, „ich meine,
dass“ oder „offenbar“ der Qualifizierung als Tatsachenbehauptungen nicht
prinzipiell entgegen. Der Ansehensschutz würde leerlaufen, wenn es der Äußernde
in der Hand hätte, allein durch solche Einschübe aus seinen
Tatsachenbehauptungen zivilrechtlich weniger angreifbare Meinungsäußerungen zu
machen (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2008 – VI ZR 83/07 – VersR 2008, 971
Rn. 18 m.w.N.).
bb) Aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews, in dem die streitigen Äußerungen
gefallen sind, ergibt sich aber, dass es sich insgesamt um Äußerungen handelt,
die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zu unterstellen sind. In dem
Interview hat der Beklagte nicht nur durch die Worte „ich glaube“ deutlich
gemacht, dass er auf die Frage des Reporters nur seine Meinung zu dem Vorfall
kundgeben wolle. Vielmehr hat er bereits am Anfang seiner Antwort klargestellt,
dass er „mutmaßen“ müsse. Zudem hat er darauf hingewiesen, dass Dinge im
Raum stünden, die „in den nächsten Monaten“ geklärt werden müssten. Er
hat die Entwicklung des Unternehmens während der Vorstandstätigkeit des Klägers
zu 2 als Grundlage genommen, diesen zu charakterisieren. Hierzu zieht er auch
dessen Visionen und die Art und Weise heran, wie dieser sich an die Spitze des
Konzerns gekämpft und dort gehalten habe. Auf die Frage des Journalisten, ob er
eine Erklärung dafür habe, dass der Kläger zu 2 ohne Abfindung aus dem
Unternehmen ausgeschieden sei, folgt dann die Antwort, von der die
Instanzgerichte Äußerungsteile untersagt haben und die das Berufungsgericht
teilweise als Tatsachenbehauptung eingestuft hat. Aufgrund dieses
Gesamtzusammenhangs wird seine Äußerung jedoch insgesamt durch die E-lemente
der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und ist mithin
insgesamt grundsätzlich dem Schutz des Grundrechts aus Art. 5 GG zu
unterstellen.
2. Dies gilt – wie von den Instanzgerichten zutreffend angenommen -auch
hinsichtlich des im Tenor unter b) untersagten Äußerungsteils, „… dass die
Geschäfte nicht immer so sauber waren“. Die Beurteilung eines Vorgangs anhand
rechtlicher oder sittlicher Maßstäbe wird nicht anders als die Äußerung von
Rechtsmeinungen grundsätzlich als eine ganz überwiegend auf Wertung beruhende
subjektive Beurteilung des Äußernden angesehen. Dies gilt in der Regel selbst
für Fallgestaltungen, in denen ein Vorgang als strafrechtlich relevanter
Tatbestand eingestuft wird (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 – VI ZR
251/80 – VersR 1982, 904, 905 und – VI ZR 255/80 – VersR 1982, 906, 907;
vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07 – aaO, Rn. 15). Der hier verwendete
wertende Begriff „sauber“ ist derart substanzarm, dass sich ihm eine konkret
greifbare Tatsache nicht entnehmen lässt (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008
– VI ZR 7/07 – VersR 2008 Rn. 14).
3. Um die Zulässigkeit der angegriffenen Äußerungen zu beurteilen, sind
mithin hinsichtlich der beiden untersagten Äußerungsteile grundsätzlich die
betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Umstände
und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen sind
(vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 – VI ZR 189/06 – VersR 2008, 695 Rn.
13; vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07 – aaO, Rn. 17, jeweils m.w.N.). Diese
Abwägung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen, weil es den unter a)
untersagten Äußerungsteil als Tatsachenbehauptung eingestuft und deshalb dem
Beklagten die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Wahrheit seiner
Aussage auferlegt und in dem unter b) untersagten Äußerungsteil eine unzulässige
Schmähkritik gesehen hat. Entgegen dieser Auffassung ist jedoch eine Abwägung
erforderlich, weil beide Äußerungsteile vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG
erfasst werden und keine unzulässige Schmähkritik vorliegt.
a) An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe
anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem
Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt
würde (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 199, 209; vom 11. März 2008 – VI ZR
189/06 – aaO, Rn. 15; vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07 – aaO, Rn. 18
m.w.N.). Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der
Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits
polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger
gestellt werden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einer unzulässigen
Schmähung an (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 199, 209; vom 5. Dezember 2006 –
VI ZR 45/05 – VersR 2007, 249, 251; vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07 –
VersR 2008, 357 Rn. 22; vom 11. März 2008 – VI ZR 189/96 – aaO; vom 3.
Februar 2009 – VI ZR 36/07 – aaO).
b) Im Streitfall ist hinsichtlich beider Äußerungsteile ein sachlicher Bezug
anzunehmen.
Der Rücktritt des Klägers zu 2 und die Frage, ob dieser freiwillig zurückgetreten
ist, waren von großem öffentlichem Interesse. Dies zeigt nicht nur der
Umstand, dass sich die SWR-Landesschau am Tag des Rücktritts mit dieser Frage
beschäftigte, sondern ergibt sich auch aus den vom Beklagten vorgelegten
Presseberichten, die an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht wurden. Der
Beklagte hat sich mithin zu einem Sachthema von erheblichem öffentlichem
Interesse geäußert, wobei nicht die Herabsetzung der Person des Klägers zu 2
im Vordergrund stand.
Eine Herabsetzung des Klägers zu 2, in einer Weise, dass dieser gleichsam an
den Pranger gestellt werden soll, ergibt sich auch nicht aus dem zweiten
angegriffenen Äußerungsteil. Die Formulierung „das muss damit zusammenhängen,
dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat“
stellt keine Formalbeleidigung dar. Die Formulierung ist nicht mit dem Vorwurf
illegaler Geschäfte gleichzusetzen, sondern als weiter gefasster Vorwurf
missbilligenswerter Geschäftspraktiken zu verstehen, wie das Berufungsgericht
im Ansatz zutreffend angenommen hat. Diese Bewertung hat der Beklagte nicht
isoliert vorgenommen, sondern im Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Kläger
zu 2 vorzeitig ohne eine Abfindung zurückgetreten ist. Da dies aus Sicht des
Beklagten mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu 2 nicht in Einklang
zu bringen ist, zog er die angegriffenen Schlussfolgerungen. Vor diesem
Hintergrund kann der Äußerung des Beklagten ein Sachbezug nicht abgesprochen
werden.
4. Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zugunsten der Kläger ins
Gewicht, dass die beanstandeten Äußerungen geeignet sind, sie in ihrem öffentlichen
Ansehen zu beeinträchtigen und möglicherweise auch ihre geschäftliche Tätigkeit
zu erschweren. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der verwendete
Begriff „sauber“ ein bloß pauschales Urteil enthält, bei dem der tatsächliche
Gehalt gegenüber der Wertung zurücktritt und die Abwägung nicht beeinflusst
(vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 – VI ZR 7/07 – aaO; BVerfGE 61, 1, 9
f.; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1711). Zudem ist zugunsten der Meinungsfreiheit
des Beklagten zu beachten, dass an der Bewertung der Geschäftstätigkeit des
Vorstandsvorsitzenden eines deutschen Großunternehmens und dessen vorzeitigem Rücktritt
ein großes öffentliches Interesse besteht und es sich um eine
Berichterstattung über die berufliche Sphäre bzw. einen Vorgang im
Wirtschaftsleben handelt. Dabei muss ein solches Unternehmen eine genaue
Beobachtung seiner Handlungsweise in der Öffentlichkeit hinnehmen. Deshalb sind
die Grenzen zulässiger Kritik ihm gegenüber ebenso wie gegenüber ihren Führungskräften
weiter gezogen (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01 – VersR
2002, 445, 446; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03 – aaO; vom 21. November
2006 – VI ZR 259/05 – VersR 2007, 511, 512; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94
– Steel und Morris/ Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B,
Nr. 75 – Fayed/ Vereinigtes Königreich).
Es ist allgemein bekannt und lässt sich den vorgelegten Presseberichten
entnehmen, dass der Kläger zu 2 aufgrund seiner Geschäftstätigkeit in der Öffentlichkeit
sehr kritisiert worden ist. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte darauf
hingewiesen, dass während der Leitung des Unternehmens durch den Kläger zu 2
ein Börsenwertverlust in Höhe von 35 Mrd. € sowie eine Drittelung des
Aktienkurses eingetreten und zahlreiche Mitarbeiter entlassen worden seien. Da
die Kläger keine Begründung für das Ausscheiden gegeben haben und der Kläger
zu 2 auch keine Abfindung erhalten hat, war der Weg für Spekulationen über die
Gründe des Rücktritts eröffnet. Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände
stellen sich die Äußerungen des Beklagten in einem Interview am Tage des Rücktritts
– auch unter Berücksichtigung seiner Vorkenntnisse über das Unternehmen und
einen möglicherweise bevorstehenden Rücktritt des Klägers zu 2 – mithin als
noch zulässig und damit nicht als rechtswidrig dar. Wollte man in einem solchen
Fall eine Äußerung der vorliegenden Art unterbinden, wäre eine spontane öffentliche
Diskussion aktueller Ereignisse von besonderem Öffentlichkeitsinteresse –
auch unter Würdigung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen – in einer
mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise erschwert.
5. Da die zu beurteilenden Tatsachen feststehen und somit eine weitere Sachaufklärung
nicht erforderlich ist, kann der Senat aufgrund seiner eigenen Abwägung
abschließend entscheiden. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge der §§ 91,
100 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
(Unterschriften)