23.12.2009 - LG Memmingen, Az: 1 HK O 1751/09
Eine einmalige Nachfrage-Werbe-E-Mail stellt schon einen rechtswidrigen
Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
dar
Thema:
Internetrecht Allgemein
Rechtsnormen:
§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB
Leitsätze ... (mehr)
LANDGERICHT MEMMINGEN
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit …
wegen Unterlassung
erlässt das Landgericht Memmingen – 1. Kammer für Handelssachen – durch … auf Grund der mündlichen
Verhandlung vom 02.12.2009 folgendes
Endurteil
I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6
Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
an die Klägerin ohne deren Aufforderung oder ohne deren Einverständnis E-Mails zum Zwecke der
Werbung an die E-Mail-Adresse … zu übersenden.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 265,70 € (in W orten: zweihundertfünfundsechzig
70/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.11.20 08 zu
bezahlen.
Im Übrigen wird die Zahlungsklage abgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vor-
läufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin, welche Inhaberin der Domain … ist und die E-Mail-Adresse … nutzt, nimmt den Beklagten auf
Unterlassung der Zusendung von Werbemails in Anspruch.
Die Klägerin erhielt am 29.09.2008 eine E-Mail mit dem aus der Anl. K 1 zur Klageschrift ersichtlichen Inhalt.
Der Beklagte informierte, dass er die Unternehmensdaten der Klägerin in seine Internet-Datenbank …
aufgenommen hat und bat die Klägerin um Überprüfung und ggfls. Aktualisierung.
Mit Schreiben vom 02.10.2008 forderte die Klägerin, die zum Beklagten keine Geschäftsbeziehung unterhält
und ohne ihr Zutun in die Datenbank aufgenommen war, den Beklagten zur Abgabe einer straf bewehrten
Unterlassungserklärung auf (Anl. K 2). Der Beklagte gab die verlangte Erklärung nicht ab (Anl. K 3, K 5).
Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch nach § 823
Abs. 1, 1004 BGB. Die beanstandete E-Mail stelle eine gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG unzulässige Werbung
dar. Bei der durchgeführten Nachfrage nach den Unternehmensdaten der Klägerin handle es sich um
sogenannte Nachfragewerbung im Rahmen einer gewerblichen Betätigung des Beklagten.
Die Klägerin beantragt,
1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- € f ür jeden
Fall der Zuwiderhandlung, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu
6 Monaten tritt oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, der Klägerin per E-Mail
Werbung an deren E-Mail-Adresse … ohne Aufforderung oder Einverständnis zu übersenden.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 265,70 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet, mit der E-Mail vom 29.09.20 08 Werbung betrieben zu haben. Es liege lediglich eine
Informationsbeschaffung für einen für die Klägerin kostenlosen Datenbank-Eintrag und damit eine Nachfrage
für eine unentgeltliche Leistung vor. In diesem Zusammenhang sei auch von einem konkludenten
Einverständnis der Klägerin mit der erfolgten Nachfrage aus zugehen, weil die Klägeri n in ihrem eigenen
Internetauftritt (Anl. B 1) Anfragen zu ihrem Unternehmen erlaube und in mehreren Branchenverzeichnissen sei
(Anl. B 2).
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die dazu
vorgelegten Anlagen Bezug genommen. Der Rechtsstreit ist mit Beschluss des Amtsgerichts Günzburg vom
02.10.2008 an das Landgericht Memmingen – Kammer für Handelssachen – verwiesen worden
(Bl. … d.
A.).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist – bis auf die Höhe der verlangten Zinsen – begründet. Es liegt e in rechtswidriger
Eingriff in das Recht der Klägerin am eingerichteten u nd ausgeübten Gewerbebetrieb v
or, der zur
Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs berechtigt (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB).
1. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der hier maßgeblichen Fassung der UWG-Novelle 2004 stellt sich – außerhalb einer bestehenden Kundenbeziehung – bereits die Übersendung einer einzigen Werbenachricht als
unterlassungsrelevanter Eingriff in die Rechte des Empfängers dar, soweit eine Einwilligung des Adressaten
nicht besteht. Eine Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Unternehmen als Adressaten findet nicht
statt. Unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung beeinträchtigt regelmäßig den Betriebsablauf des
Unternehmens, mag auch einer einzelnen unerwünschten Werbemail nur ein geringer Grad von Belästigung
zukommen. Nach allgemeiner Auffassung ist darauf abzustellen, dass diese Werbeform gerade im geschäftlichen
Bereich einen stark belästigenden Charakter („Spamming“) angenommen hat (BGH NJW 2009, 2958).
2. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die verfahrensgegenständliche E-Mail enthalte keine Werbung.
Abgesehen davon, dass der Beklagte damit seine Datenbank und deren Relevanz auf dem Markt allgemein
anpreist, handelt es sich um Nachfragewerbung:
Um die Aktualität seiner Datenbank zu erhalten, fragte der Beklagte nach den neuesten Firmendaten der
Klägerin, die er f ür seine Geschäftstätigkeit benötigte. Unbestritten blieb, dass der Beklagte mit seiner
Datenbank ein Gewerbe ausübt und dabei – von der Zahl der Nutzer abhängige – Werbeeinnahmen erzielt.
Wer aber Nachfragehandlungen an andere Gewerbetreibende richtet, um damit die eigene gewerbliche
Erbringung von Dienstleistungen zu fördern, betreibt mittelbar auf Absatzförderung gerichtete Handlungen,
welche den Begriff der Werbung unterfallen (BGH NJW 2008, 2997).
3. Eine Einwilligung der Klägerin lag weder in ausdrücklicher Form noch durch schlüssige Handlung vor.
Zwischen den Parteien besteht keine Geschäftsbeziehung. Die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung,
wofür der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann vorliegend nicht aus der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin hergeleitet werden. Hierzu reicht das nur potentielle, vom Beklagten vor der Versendung
der E-Mail nicht weiter hinterfragte Interesse der Klägerin nicht aus.
Vielmehr fehlt es an der Darlegung erforderlicher konkreter Umstände. Diese können weder dem
Internetauftritt der Klägerin noch der Aufnahme der Klägerin in verschiedenen Branchenverzeichnissen entnommen
werden. Damit erklärt sich die Klägerin ersichtlich mit Anfragen potentieller Kunden, insbesondere mit
Anfragen nach den typischen Produkten und Dienstleistungen der Klägerin einverstanden. Eine Einwilligung
bezieht sich nur auf die übliche Verkaufstätigkeit, nicht aber auf die Zurverfügungstellung von
Unternehmensdaten für fremde gewerbliche Zwecke.
4. Der zu beurteilende Eingriff ist auch rechtswidrig. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung
in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 geht eine Abwägung mit dem eigenen Informationsinteresse des Beklagten zu
Lasten des Beklagten aus. Beim Beklagten handelt es sich insbesondere um kein im Rahmen von Art. 5
Abs. 1 GG geschütztes Presseorgan.
Die Wiederholungsgefahr ist ohne weiteres begründet, da der Beklagte eine geforderte strafbewehrte
Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat.
5. Nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag kann die Klägerin auch die Abmahnkosten für die
Abmahnung vom 02.10.2008 (Anl. K 2) verlangen. Die Berechnung blieb unstrittig.
Der Zinsanspruch hierauf ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
6. Kostenentscheidung: §§ 91 Abs. I, 92 Abs. II ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.