24.05.2006 - OLG Düsseldorf,
Aktenzeichen: I-15 U 45/06
Zur Wettbewerbswidrigkeit von E-Mail Spam
Leitsätze ... (mehr)
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I-15 U 45/06
24. Mai 2006
n dem Rechtsstreit
...
gegen
...
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche
Verhandlung vom ... durch ... für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 4. Januar 2006 verkündete
Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und
wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt,
an die E-Mail-Adresse: X@Y.de E-Mails mit werbenden Inhalt zu senden,
insbesondere wenn es sich um E-Mails an eine Vielzahl von Adressaten
unter Offenlegung der Empfängernamen und/oder den am 22. August 2005
erstmalig versandten Newsletter unter der Überschrift „ "
handelt.
Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das
gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Ordnungsgeld bis
zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen jeweils an dem Geschäftsführer
der Antragsgegnerin, angedroht.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden der
Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
Die Antragstellerin
erhielt in der Zeit vom 22. bis zum 25. August 2005 unter ihrer
E-Mail-Adresse X@Y.de ca. 2000 die Antragsgegnerin als Absenderin
ausweisende E-Mails, in der diese auf digitales Diktieren sowie die Möglichkeiten
weiterer Informationsbeschaffung von der Homepage der Antragsgegnerin
hingewiesen wurde. Unmittelbar nach Eintreffen der ersten E-Mails
versuchte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die weitere
Zusendung des Newsletters abzustellen. Gleichwohl ging der Strom der
E-Mails unvermindert weiter.
Entsprechend dem Antrag der Antragstellerin, die behauptet, der
Antragsgegnerin nie eine Einwilligung zur Zusendung von Werbe-E-Mails
erteilt zu haben und die deswegen der Ansicht ist, die Antragsgegnerin
habe mit der Zusendung der E-Mails rechtswidrig in ihr Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingriffen, hat das
Landgericht am 26. August 2005 eine einstweilige Verfügung gegen die
Antragsgegnerin erlassen, durch die dieser unter Androhung von
Ordnungsmittel untersagt worden ist, an die E-Mail-Adresse: X@Y.de
E-Mails mit werblichen Inhalt zu senden, insbesondere wenn es sich um
E-Mails an eine Vielzahl von Adressaten unter Offenlegung der Empfängernamen
und/oder den am 22. August 2005 erstmalig versandten Newsletter unter
der Überschrift " " handelt.
Auf den Widerspruch der
Antragsgegnerin hat das Landgericht durch Urteil vom 4. Januar 2006, auf
dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 ZPO Bezug genommen
wird, seine Beschlussverfügung wieder aufgehoben und den entsprechenden
Erlassantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat
das Landgericht ausgeführt, das nach Durchführung der mündlichen
Verhandlung nicht länger vom Vorliegen eines Verfügungsanspruches
auszugehen sei. Die Versendung der ersten E-Mail sei im vermuteten
Einverständnis der Antragstellerin erfolgt und stelle deswegen keinen
rechtswidrigen Eingriff in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb dar. Bezüglich des Stroms der E-Mails, der sich nach der
Zusendung der ersten E-Mail über den elektronischen Briefkasten der
Antragstellerin ergossen habe, sei die Antragsgegnerin nicht Störerin.
Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin form- und fristgerecht
Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Verbotsbegehren
weiterverfolgt.
Unter Hinweis darauf,
dass sie am 4. April 2006 den streitgegenständlichen Newsletter erneut
durch eine die Antragsgegnerin als Absenderin ausweisende E-Mail
erhalten habe – was insoweit unstreitig ist -, beantragt die
Antragstellerin,
die angefochtene
Entscheidung abzuändern und der Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln zu
untersagen, an die E-Mail-Adresse: X@Y.de E-Mails mit werbenden Inhalt
zu senden, insbesondere wenn es sich um E-Mails an eine Vielzahl von
Adressaten unter Offenlegung der Empfängernamen und/oder den am 22.
August 2005 erstmalig versandten Newsletter unter der Überschrift
" " handelt.
Die Antragsgegnerin
beantragt,
die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die zulässige Berufung
der Antragstellerin ist begründet.
Es ist dem Senat
rechtlich nicht möglich, die Wirksamkeit der mit Beschluss der 12.
Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26. August 2005 erlassenen,
durch das Urteil desselben Gerichts vom 4. Januar 2006 aufgehobenen
einstweiligen Verfügung wieder herzustellen. Denn dem Beschluss vom 26.
August 2005 hat das erstinstanzliche Urteil vom 4. Januar 2006 mit
seiner Verkündung die Wirksamkeit genommen. Da die im Wege des
Beschlusses erlassene einstweilige Verfügung infolge der sofort
wirkenden Aufhebung nicht mehr existiert, kann der Senat auch nicht ihre
Wirksamkeit wiederherstellen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. 5. 2001
- U (Kart) 25/01, NJW-RR 2002,138) sondern durch das Berufungsurteil nur
eine neue einstweilige Verfügung erlassen. Der Antrag auf den erneuten
Erlass dieser einstweiligen Verfügung ist begründet.
Der Antragstellerin
steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch (Verfügungsanspruch)
zu. Er findet seine Grundlage in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) in
Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB. Danach steht der Antragstellerin gegen
die Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in ein geschütztes
sonstiges Recht – hier den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb - ein Anspruch auf Unterlassung der Zusendung von
Werbenachrichten an ihre E-Mail-Adresse zu.
Die Antragsteller können
ihr Verbotsbegehren in der Sache selbst nur auf eine Verletzung ihres
durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb stützen, da andere Anspruchsgrundlagen nicht einschlägig
sind.
Ein
wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch kommt schon mangels eines
Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien gem. § 2 Abs. 1 Ziff. 3
UWG nicht in Betracht. Auch eine direkte Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 3
UWG scheidet aus. Zwar gehört nach § 2 Abs. 1 Ziff. 2 UWG auch der
Verbraucher zu den durch § 7 UWG vor unzumutbaren Belästigungen geschützten
Marktteilnehmern. Gleichwohl handelt es bei dieser Vorschrift des § 7
UWG nicht um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB zugunsten der
Verbraucher (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl. [2006], § 823 Rdnr. 71;
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006,
Einleitung UWG Rdnr. 7.5).
Das Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein sonstiges Recht im
Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Der Schutzbereich dieses Tatbestandes
umfasst neben Unternehmen im engeren Sinne auch die wirtschaftliche Betätigung
in freien Berufen, z.B. die Tätigkeit von Rechtsanwälten (vgl. Palandt/Sprau,
a.a.O. § 823, Rdnr. 127). Die Antragsstellerin ist eine
Rechtsanwaltskanzlei und macht eine Beeinträchtigung der Ausübung des
Berufes der in ihr zusammengeschlossenen Rechtsanwälte im
Kanzleibetrieb geltend.
Durch das Zusenden der E-Mails mit werbendem Inhalt hat die
Antragsgegnerin unmittelbar zielgerichtet in das Recht der
Antragstellerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
eingegriffen. Ein unmittelbarer zielgerichteter Eingriff in den
Gewerbebetrieb ist dann gegeben, wenn sich der Eingriff gegen den
Betrieb als solchen richtet und nicht von dem Gewerbebetrieb ohne
weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft (BGH, Urteil vom
8. Juni 1976 - VI ZR 50/75 -NJW 1976, 1740; Urteil vom 18. Januar 1983 -
VI ZR 270/80 - NJW 1983, 812, 813; Beschluss vom 10. Dezember 2002 - VI
ZR 171/02, NJW 2004, 1040, 1041; MünchKomm/Wagner, 4. Aufl. [2004], §
823 Rdnr.185; ). Für die Beurteilung eines solchen betriebsbezogenen
Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch
unaufgeforderte Zusendung von E-Mails mit werbendem Inhalt sind die
Kriterien für die Wettbewerbswidrigkeit von E-Mail-Werbung im Rahmen
des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG heranzuziehen. Denn zum einen dient die nur
subsidiär anwendbare Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB zum Schutz des
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes gerade auch dazu, noch
vorhandene Lücken im Anwendungsbereich des UWG zu schließen (MünchKomm/Wagner,
4. Aufl. [2004], § 823 Rdnr.186 f; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O.
Einleitung UWG Rdnr. 7.4). Zum anderen verursacht die unverlangte
E-Mail-Werbung für einen Mitbewerber keine wesentlich anderen Beeinträchtigungen
als für einen Gewerbetreibenden mit der Folge, dass beide Tatbestände
im Zusammenhang betrachtet werden müssen.
Nach der gesetzlichen
Wertung in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt die unverlangte, d.h. die ohne
das vorherige ausdrückliche oder stillschweigende Einverständnis des
Adressaten abgeschickte E-Mail-Werbung eine unzumutbare Belästigung
dar. Dies war im Ergebnis auch schon zum früheren Recht anerkannt (BGH,
Urteil vom 11. 3. 2004 - I ZR 81/01, NJW 2004, 1655-1658 -
E-Mail-Werbung). Die Unzumutbarkeit der Belästigung durch unverlangte
E-Mail-Werbung folgt zum einen aus dem Kostenaufwand (Telefonkosten plus
ggf. Nutzungsgebühren) und zum anderen aus dem Aufwand an Mühe und
Zeit für die Wahrnehmung und Aussonderung unerbetener E-Mails. (Köhler
in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, Rdnr.
85). Hierbei übersieht der Senat nicht, dass für die Unzumutbarkeit
der Belästigung eine Beeinträchtigung von gewisser Intensität
erforderlich ist. Bloße Belästigungen und sozial übliche
Behinderungen reichen für die Annahme eines betriebsbezogenen Eingriffs
nicht aus (BGH, Urteil vom 29. Januar 1985 – VI ZR 130/83, NJW 1985,
1620). Die ab dem 22. August 2005 an die Antragsstellerin übersandten
E-Mails gehen aber weit über das Maß einer bloßen sozialadäquaten
Belästigung hinaus. Sie stellen eine erhebliche, nicht mehr hinnehmbare
Belästigung der Antragstellerin dar. Zwar lassen sich E-Mails werbenden
Inhalts grundsätzlich auch in relativ kurzer Zeit, und zwar auch ohne
deren Öffnung, löschen. Als Rechtsanwaltskanzlei ist die
Antragstellerin aber in besonderem Maße verpflichtet, ihr zugesandte
E-Mails sorgfältig auf ihre Relevanz für den Kanzleibetrieb zu überprüfen.
Sie muss dafür Sorge tragen, nicht versehentlich E-Mails, die keine
Werbung enthalten, zu löschen. Löscht ein Rechtsanwalt etwa
versehentlich ein Schreiben mit einer wichtigen kanzleibezogenen
Mitteilung, kann dies zu einem Haftungsfall führen. Das damit
erforderliche sorgfältige Aussortieren von Werbemails verursacht eine
nicht unerhebliche Störung des Betriebsablaufs, weil hierzu Arbeitszeit
der Mitarbeiter der Antragstellerin aufgewandt werden muss. Zudem
besteht auch die Gefahr, dass der für das E-Mail-Konto zur Verfügung
stehende Speicherplatz auf Grund massiver Werbeeingänge erschöpft wird
und den Kanzleibetrieb betreffende Nachrichten die Antragstellerin nicht
mehr erreichen. Da der Abruf der Nachrichten online erfolgt, können für
den Nutzer durch die Werbe-E-Mails, die die Übertragungszeit des
Nachrichtenabrufs verlängern, unter Umständen auch zusätzliche
Telekommunikationsgebühren verursacht werden.
Demgegenüber kann die
Antragsgegnerin nicht mit Erfolg einwenden, dass die genannten
nachteiligen Folgen für die Antragstellerin nicht durch die erste der
hier streitgegenständlichen E-Mails verursacht worden seien sondern
erst dadurch, dass der E-Mail-Newsletter nicht nur an die
Antragstellerin sondern auch an weitere Empfänger verschickt worden sei
und daraufhin von einzelnen Servern dieser weiteren Empfänger ein große
Anzahl von Kopien des E-Mail-Newsletters an die ursprünglichen
Newsletter-Empfänger weiterverschickt worden seien, was sie nicht zu
vertreten habe.
Zum einen übersieht
die Antragsgegnerin, dass die einzelne E-Mail nicht isoliert betrachtet
werden darf, sondern als Teil des nach allgemeiner Auffassung zu bekämpfenden
Spammings aufzufassen ist (vgl. insoweit auch Senat, Urteil vom 22.
September 2004 - 15 U 41/04 - MMR 2004, 820). Die Werbung per E-Mail ist
auf ein immer weiteres Umsichgreifen angelegt (BGH; Urteil vom 11. März
2004 - I ZR 81/01, NJW 2004, 1655, 1656 - E-Mail-Werbung). Auf Grund der
Ausuferungsgefahr, die die Folgen der E-Mail-Werbung mit sich bringt,
muss jeder einzelne Mitverursacher für die Gesamtwirkung verantwortlich
gemacht werden. Wegen der Mitverursachung eines möglichen Überlaufens
des elektronischen Briefkastens, bzw. der nicht mehr möglichen
Kenntnisnahme von nachfolgend eintreffenden E-Mails auf Seiten des Empfängers
liegt deshalb bereits in der Übersendung einer einmaligen unerbetenen
Werbenachricht ein unterlassungsrelevanter Eingriff in die Rechte des
Empfängers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor (Senat,
a.a.O., MMR 2004, 820).
Zum anderen erreichte
die Antragstellerin nicht lediglich eine einzelne E-Mail der
Antragsgegnerin sondern ihr elektronischer Briefkasten wurde nach ihrem
glaubhaft gemachten Vorbringen ab dem 22. August 2005 durch eine Flut
von ca. 2000 die Antragsgegnerin als Absenderin aufweisende E-Mails
"zugemüllt" mit der Folge, dass die Antragstellerin für ihre
Mandanten zeitweise nicht oder nur eingeschränkt über E-Mail
erreichbar war.
Für diese E-Mail Flut
hat die Antragsgegnerin auch eine adäquat kausale Ursache gesetzt, nämlich
eine entsprechende Funktion eingerichtet. Ausreichend für die Haftung
als mittelbarer Störer ist, dass dieser willentlich und adäquat kausal
an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt
hat, wobei als Mitwirkung auch die Unterstützung oder das Ausnutzen der
Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern
der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung
dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 1991 - I ZR 227/89
GRUR 1991, 769, 770 - Honorarfrage; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1996 - I
ZR 129/94 NJW 1997, 2180-2182, - Architektenwettbewerb; Beschluss vom
10. Dezember 2002 - VI ZR 171/02, NJW 2004, 1040, 1041).
Die Antragsgegnerin war
und ist in der Lage, die von ihr gesetzten Auswirkungen zu unterbinden
und so Eingriffe in den Gewerbebetrieb der Antragstellerin zu
verhindern. Sofern die Antragsgegnerin anführt, sie habe alles ihr
Zumutbare unternommen, um die E-Mail Flut auf dem elektronischen
Briefkasten der Antragstellerin zu stoppen, mag dies sogar so sein.
Ungeachtet der nachträglich getroffenen Maßnahmen konnte indessen der
hier streitgegenständliche Eingriff nur erfolgen, weil sie zuvor nicht
durch geeignete Maßnahmen sichergestellt hatte, dass es nicht zu
fehlerhaften Zusendungen von E-Mails kommen konnte (vergl. hierzu BGH,
a.a.O. NJW 2004, 1655, 1657). Folgt man nämlich einmal der Begründung
der Antragsgegnerin, wie es zu der Flut von E-Mails auf dem
elektronischen Briefkasten der Antragstellerin gekommen ist, so ist dies
darauf zurückzuführen, dass die Antragsgegnerin ihren Newsletter nicht
als Blindkopie (BCC) sondern direkt an sämtliche im Adressatenfeld
aufgeführte E-Mail-Adressen verschickt hat. Bei einer Blindkopie wird nämlich
das BCC-Feld nicht an die Empfänger übertragen, so dass für keinen
der Empfänger erkennbar ist, an wen eine Kopie der E-Mail verschickt
wurde, während bei der hier gewählten Übertragungsart die Einträge
im Adressatenfeld bei allen Empfängern angezeigt werden und somit
bekannt sind. Da bei einer E-Mail mit offen gelegter Adressatenliste der
Empfänger sieht, wer die E-Mail auch noch erhalten hat, eignet sich
dieses System nur für geschlossene Benutzergruppen (z.B. innerhalb
einer Firma), während Massensendungen aus Gründen des Datenschutzes
(niemand hat es schließlich gerne, wenn seine E-Mail-Adresse
unkontrolliert weiter verbreitet wird) oder der Sicherheit
(Adressatenlisten mit Hunderten von E-Mail-Adressen - im Streitfall
umfasst die ausgedruckte Adressenliste neun (!) DIN A 4
Schreibmaschinenseiten – sind ein hervorragend geeigneter
Angriffspunkt für die Verbreitung von Viren und Spamming) nur als
Blindkopie verschickt werden sollten. Bei der Versendung des
streitgegenständlichen Newsletters wurden jedoch die E-Mail Adressen sämtlicher
Empfänger des Newsletters ebenso anderen Newsletter-Empfängern
mitgeteilt. Nur auf diese Weise konnte auf den E-Mail-Servern Dritter
auf die E-Mail-Adresse der Antragstellerin zugegriffen werden. Es war
also geradezu das sorgfaltswidrige Verhalten der Antragsgegnerin, dass
bei der Antragstellerin den konkret eingetretenen Verletzungserfolg erst
ermöglichte.
Dass die
Antragstellerin ihren elektronischen Briefkasten möglicherweise nicht
mit einem ausreichenden Filter (gegen unerwünschte Werbung) gesichert
hat, ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin unerheblich. Zum einen
dürfen ganz allgemein Verhinderungs-/Verhütungspflichten des Störers
nicht zu Abwehrobliegenheiten des Gestörten umfunktioniert werden. Zum
anderen arbeiten diese Filter (bisher jedenfalls) noch nicht fehlerfrei.
Schließlich ist die Antragstellerin auch deswegen nicht zu einem
weitergehenden Filtereinsatz verpflichtet, weil sonst auch solche
Werbemails ausgefiltert würden, die ihr Mandanten zur Überprüfung auf
wettbewerbsrechtliche Unbedenklichkeit hin vorab zuleiten (Köhler in
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, Rdnr.
85).
Der Eingriff richtete
sich auch unmittelbar zielgerichtet gegen den Gewerbebetrieb der
Antragstellerin als solchen. Denn die von der Antragsgegnerin abgesandte
E-Mail war an die E-Mail-Adresse der Antragstellerin gerichtet. Diese
Adresse lässt erkennen, dass die Antragstellerin diese
Internetanschrift im Rahmen ihrer anwaltlichen Tätigkeit verwendet.
Soweit die Antragsgegnerin einwendet, die Versendung des Newsletters sei
überhaupt nicht beabsichtigt gewesen, diese sei lediglich versehentlich
im Rahmen eines unternehmensinternen Testlaufs des Newsletters erfolgt,
vermag dies an der Unmittelbarkeit des Eingriffs nicht zu ändern. Zwar
kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einem
unmittelbaren Eingriff keine Rede sein, wenn es zu Störungen im
Betriebsablauf auf Grund eines schädigenden Ereignisses kommt, das in
keinerlei Beziehung zu dem Betrieb steht, mag dadurch auch eine für das
Funktionieren des Betriebs maßgebliche Person oder Sache betroffen sein
(BGH, Beschluss vom 10. 12. 2002 - VI ZR 171/02, NJW 2003, 1040, 1041).
So gesehen stellt die Unterbrechung der Stromzufuhr ebenso wenig einen
Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (BGH,
Urteil vom 9. Dezember 1958 - VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65, 74 f. = NJW
1959,478) wie die Durchtrennung von Telefon- und sonstigen
Fernmeldekabeln, über die der Betrieb an das Kommunikationsnetz
angeschlossen ist (BGH, Urteil vom 25. Januar 1977 - VI ZR 29/75 - NJW
1977, 1147). Denn einerseits ist der Betrieb genauso betroffen wie eine
Vielzahl gewerblicher und privater Strom- und Telefonkunden, und zum
anderen handelt es sich um die Störung einer vertragsrechtlichen
Leistungsbeziehung zwischen Kunden und Elektrizitäts- bzw.
Telekommunikationsunternehmen. Ähnliche Erwägungen rechtfertigen auch
den Ausschluss deliktischer Ersatzansprüche des Inhabers eines
Binnenhafens, der infolge des Einsturzes der Ufermauer einer Wasserstraße
Umsatzeinbußen erleidet ( BGH, Urteil vom 15. November 1982 - II ZR
206/81 - BGHZ 86, 152, 156 f. = NJW 1983, 2313, 2314). Zu dieser
Fallgruppe zählt jedoch nicht der Streitfall. Der Flut von E-Mails, die
im elektronischen Briefkasten der Antragsstellerin eingegangen sind und
von der Antragsgegnerin adäquat kausal verursacht wurden, fehlt nicht
jeder Bezug zu der gewerblichen Tätigkeit der Antragstellerin. Die
Verletzungshandlung konnte nicht jedermann treffen, sondern nur einen
ausgewählten Kreis von Rechtsanwälten, deren E-Mail Adressen sich in
dem bei der Antragsgegnerin offenbar für Werbezwecke geführten
Verteiler befanden. Wenn die Antragsgegnerin bei Testläufen eines
Newsletters nicht sicherstellt, dass diese an den richtigen Verteiler
gesendet werden und dadurch dazu beiträgt, dass von E-Mail Servern
Dritter auf die E-Mail Adresse der Antragstellerin zugegriffen werden
konnte, verletzt sie Verhaltenspflichten, die ihr gerade im Hinblick auf
das besondere Schutzbedürfnis des betroffenen Gewerbebetriebs der
Antragstellerin obliegen.
Der Eingriff in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin ist
auch rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit wird hier zwar nicht indiziert.
Die erforderliche Interessenabwägung führt jedoch zu dem Ergebnis,
dass schon die Übersendung der ersten E-Mail vom 22. August 2005
rechtswidrig war. Das Interesse der Antragstellerin an einer ungestörten
Ausübung ihres Kanzleibetriebs ist höher zu bewerten als das Interesse
der Antragsgegnerin an der für sie bequemen und kostengünstigen
Werbemethode per E-Mail-Versand.
Die Rechtswidrigkeit entfällt hier auch nicht auf Grund einer
Einwilligung der Antragstellerin in die Zusendung des E-Mail Newsletters.
Eine ausdrückliche vorherige Zustimmung hat die Antragsgegnerin nicht
dargetan. Auch Tatsachen, auf Grund derer das Einverständnis der
Antragstellerin vermutet werden könnten, hat die für die
Rechtfertigung des Eingriffs beweisbelastete Antragsgegnerin nicht
glaubhaft gemacht. Dabei kann – weil nicht entscheidungserheblich –
dahingestellt bleiben, ob allein aufgrund der Tatsache, dass die
Antragsgegnerin die Antragstellerin in der Zeit vom 1 Januar 2003 bis
August 2005 nach ihrem glaubhaft gemachten Vorbringen mindestens 38 Mal
per Telefax beworben hatte, ohne dass die Antragstellerin hiergegen
Widerspruch erhoben hatte und zudem die Antragstellerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Kraft an einem von der Antragsgegnerin
mitveranstalteten Informationsseminar über das durch den streitgegenständlichen
Newsletter beworbene Produkt teilgenommen hatte, grundsätzlich von
einem zumindest vermuteten Einverständnis der Antragstellerin mit der
Zusendung von Werbe-E-Mails ausgegangen werden könnte. Selbst wenn man
hiervon zugunsten der Antragsgegnerin ausgehen wollte, bezog sich das
vermutete Einverständnis der Antragstellerin mit der Zusendung von
Werbe-E-Mails doch nur auf solche E-Mails, bei denen die Antragsgegnerin
zuvor durch geeignete Maßnahmen sichergestellt hatte, dass es nicht zu
fehlerhaften Zusendungen kommen konnte. Gerade dies hat jedoch die
Antragsgegnerin – wie vorstehend aufgezeigt – nicht sichergestellt.
Auch die für einen
Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr, das heißt die
auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen,
ist hier gegeben. Die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung
begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung für die vom
Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB vorausgesetzte
Wiederholungsgefahr (BGH NJW 1986, 2503, 2504). An die Widerlegung
dieser Gefahr durch den Störer sind hohe Anforderungen zu stellen (Palandt/Bassenge,
a.a.O., § 1004 BGB Rdnr. 32 m.w.N.). Ein Wegfall der
Wiederholungsgefahr ist nur ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn Umstände
vorliegen, deretwegen nach allgemeiner Erfahrung mit einem erneuten
Verstoß nicht gerechnet werden kann (vgl. BGH, NJW-RR 2001, 485 = MDR
2000 1233). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
Die Antragsgegnerin gab
schon die von der Antragstellerin geforderte strafbewehrte
Unterlassungserklärung nicht ab. Ebenso wenig hat die Antragsgegnerin
geltend gemacht, die bei ihr gespeicherten Daten der Antragstellerin gelöscht
zu haben. Es kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass die
Antragstellerin, solange sie weiter im Verteiler der Antragsgegnerin geführt
wird, auch weiterhin E-Mails der hier streitgegenständlichen Art erhält,
zumal die Antragstellerin am 4. April 2006 erneut einen mit den
streitgegenständlichen Newslettern ab 22. August 2005 inhaltsgleichen
Newsletter erhalten hat. Selbst wenn es sich hierbei nur um eine
Fehlfunktion im Hause der Rechtsanwälte X gehandelt sollte, konnten
auch diese Rechtsanwälte den Newsletter nur deshalb weiterleiten, weil
ihnen zuvor mit der E-Mail die komplette Adressatenliste mitgeteilt
worden war.
Entgegen der
Rechtsmeinung der Antragsgegnerin fehlt es unter diesen Umständen nicht
an dem für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung
erforderlichen Verfügungsgrund. Im Streitfall wurde der Antragstellerin
nicht eine einzelne E-Mail zugesendet, sondern ihr elektronischer
Briefkasten wurde in der Zeit zwischen dem 22. und 25. August 2005 mit
ca. 2000 E-Mails "zugemüllt", was zu massiven Störungen der
betrieblichen Abläufe im Hause der Antragstellerin führte. Das
Abwarten einer Hauptsacheentscheidung ist unter diesen Umständen
schlechthin unzumutbar, zumal die Antragstellerin auch noch am 4. April
2006 einen mit den streitgegenständlichen Newslettern ab 22. August
2005 inhaltsgleichen Newsletter erhalten hatte, obwohl sie im Rahmen des
einstweiligen Verfügungsverfahrens mehrfach erklärt hatte, sie wünsche
von der Antraggegnerin keine weiteren Werbe-E-Mails. Dies zeigt, dass
die Gefahr für den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin, welche die
Antragsgegnerin durch die Versendung des Newsletters mit einer offenen
Adressatenliste heraufbeschworen hat, unverändert fortbesteht.
Die Kostenentscheidung
folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Mit Rücksicht darauf,
dass nach § 542 Abs. 2 ZPO gegen Urteile, durch die über die Anordnung
einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, die Revision nicht
stattfindet, ist das Berufungsurteil mit seiner Verkündung rechtskräftig
geworden.
Streitwert für das
Berufungsverfahren: 50.000,00 €
Unterschriften